Die eigenen Grenzen – Leitsätze



Nur weil ich etwas nicht gesehen habe, heißt das nicht, dass es nicht doch stattgefunden haben kann.

Aussagen kann ich nur über die eigene Wahrnehmung machen. Die eigene Wahrnehmung kann aber keinen allgemeinen Wahrheitsanspruch entfalten.

Nur weil ich nicht an etwas glaube, heißt das nicht das es nicht doch existieren kann.

Nur weil ich von meiner Meinung überzeugt bin, heißt das nicht, dass etwas anderes nicht auch richtig sein kann, insbesondere deswegen weil ich vielleicht in meiner Meinungsbildung und bei meinen gefundenen Argumenten etwas übersehen habe.

Stärke ist daher nicht verbittert darum zu kämpfen am Ende Recht zu behalten, sondern zu jedem Zeitpunkt die eigenen Argumente und gefundenen Meinungen kritisch zu hinterfragen.

Seine Meinung zu ändern ist daher nichts zwangsläufig wankelmütig sondern, je nach Lage, auch Zeichen der eigenen . Reflektionsbereitschaft. Nur wer seine eigene Meinung als absolut setzt, Argumente ausklammert, kann nicht reflektieren und nicht diskutieren.

Diskussionsbereitschaft setzt voraus andere Argumente zuzulassen und eigene Argumente zu hinterfragen. Es geht dabei nicht um Recht haben sondern um Distinktionsgewinn.

Es kann sein, dass ich etwas nicht mitbekommen habe. Es kann auch sein, dass ich beim nächsten mal in einer vergleichbaren Situation etwas übersehen habe oder zu einer anderen Einschätzung komme aber spätestens dann wenn mich andere darauf ansprechen, kann ich nicht mehr sagen, dass ich es nicht gewusst habe.

Das „nicht gewusst haben“ wollen ist eine der häufigsten Ausreden, die man hören kann weil es auch kaum zu belegen ist, wann jemand etwas genau mitbekommen hat.

Als Mensch in einer Gesellschaft trage ich nicht nur Verantwortung für mich sondern in der Folge auch für die Gesellschaft. Auch in der Zeit des Hyperindividualismus.

Mensch sein heißt zu zweifeln, heißt zu hinterfragen, heißt auch zu reflektieren und bedeutet am Ende auch Mensch zu bleiben.

Das ist im übrigen auch einer der Dinge, an die ich mich selbst immer wieder erinnern muss, wenn Gefühle überhand gewinnen und in der ersten Erregung, Wut statt Reflektion dominiert.

Gefühle sind wichtig. Aber es gibt eine Realität jenseits der eigenen Befindlichkeit und Wahrnehmung.

Vom Überranntwerden

Am 29.01.2022 während einer Coronademo durchbrachen mehrere dutzend Menschen eine Polizeikette und stürmten auf das Gelände des Universitätsklinikums, Abteilung Psychiatrie.

Jenseits der politischen und juristischen Folgen ist das für Menschen, die dort in Behandlung waren und sind eine traumatische Erfahrung.

Tom Günther hat aufgeschrieben warum.


Heute haben sie es übertrieben. Sie haben eine Grenze übertreten. Sie. Die, die sich für die Mehrheit, für Aufgeklärte, Informierte und das Volk halten. Sie, die diese Pandemie nähren. Sie haben die Grenze zu einem Grundstück übertreten. Das Grundstück des Uniklinikums Leipzig. Und nicht nur einfach irgendein Gebäude. Nein, es war die Psychiatrische Klinik.

Dort verweilen Menschen, die an nichts mehr glauben können, weil ihnen jeder Wille fehlt. Menschen, die zum Teil mit dem Leben abgeschlossen haben. Leute, die Angst davor haben, morgens aufzustehen. Menschen, denen es schon zu viel ist, sich zwischen Brötchen und Croissant zu entscheiden. Menschen, die einfach weinen, weil sie grad nicht anders können. Ohne erkennbaren Grund. Menschen, die glauben, dass die Welt ohne sie besser wäre.

Woher ich das weiß? Weil ich selbst einer dieser Menschen war.

Diese Menschen brauchen Schutz. Zum Teil gehören sie zu den Leuten, die von der StIKo eine Impfempfehlung erhalten haben, weil eine Erkrankung wie Corona sie nur zurückwerfen würde. Sie benötigen Ruhe, Ordnung, Rituale, inneren Frieden.

Und dann kommt da aber eine Horde von Ottos, die glauben, sie wüssten es besser. Folgen Kadern von NPD und REP, ignorieren alles und jeden. Scheißen auf Anstand. Denken schlichtweg nur an sich selbst. Haben nicht einen winzigen Funken Weitsicht und Nächstenliebe. Und sie stürmen dieses Gelände.

Ich! Möchte! Kotzen!
Ihr widert mich an!
Ihr seid der Bodensatz des Arschlochtums!

Ihr könnt gern weiter Eure dämliche Meinung haben. Das muss eine Demokratie in gewissen Teilen aushalten.

Aber hört verdammt nochmal auf, Unbeteiligte in Euren Sturm aus Lügen, Missgunst, Ignoranz und Dummheit hineinzuziehen.

Hört auf, Euch als Retter der Welt aufzuspielen. Und vor allem: Hört auf, Menschen zu schaden, denen es sowieso schon alles andere als geil geht.

Ich fand Euch vor dieser Aktion schon scheiße. Aber jetzt hasse ich Euch. Abgrundtief. Ihr seid moralisch ganz weit unten angekommen. Denn es gibt deutliche Bilder, klare Botschaften. Und die sagen: Wir scheißen auf alles.

Sollte mir noch einmal irgendein Quarkdenker mit irgendwelchen Relativierungen kommen, frage ich ihn, ob er auch dabei war, oder ob er mitgemacht hätte. Und dann …

Ich bin sauer.

Gegen die binäre Welt.

Nur weil ich nicht dafür bin, bin ich nicht sofort dagegen.

Nur weil ich etwas nicht gut finde, lehne ich es deswegen nicht ab.

Nur weil ich Zweifel habe, bin ich deswegen nicht ahnungslos.

Nur weil ich deine Meinung nicht teile, bin ich noch lange kein Schläfer oder dumm oder verblendet.

Die Welt ist komplexer als nur dafür oder dagegen zu sein oder einfache Antworten geben zu können.

Aber das schwierigste ist, der Sehnsucht in die Einteilung von Freund/ Feind, Gut/ Böse, Richtig/ Falsch zu widerstehen.

Und ja gerade in der Krise sortieren sich Menschen in Gruppen und die Konstituierung erfolgt nicht in dem wofür man ist, sondern in der Abgrenzung zu den/dem Anderen.

Mensch sein bedeutet zu Zweifeln und sich seines Verstandes zu bedienen und zu hinterfragen und das vor allen auch sich selbst.

Und das ist die härteste Auseinandersetzung, die man führen kann und führen muss- die Auseinandersetzung mit sich selbst, der eigenen Angst, den eigenen Zweifeln.

Wir gestalten diese Welt durch unser Handeln, dadurch wie wir mit anderen umgehen und mit uns selbst. Schuld sind wir in erster Linie selber und das immer.

„Liebe Spaziergänger…“ ein Brief an euch.

Liebe „Spaziergänger“,

ich verstehe es nicht. Wirklich nicht. Auch ich mache mir Gedanken, habe Zweifel und hinterfrage. Auch ich bin von einer Impfpflicht nicht restlos überzeugt. Auch deswegen weil die verfassungsrechtlichen Hürden zu Recht sehr hoch sind.

Ihr nennt euch Spaziergänger obwohl ihr Demonstrationen durchführt. Warum ihr diese Demonstrationen nicht einfach anmeldet, verstehe ich nicht. Ist eigentlich ganz einfach. Die Anmeldung ist keine Genehmigung sondern dient dazu die Sicherheit der sich Versammelten und der sich nicht Versammelten sicher zu stellen. In einem Rechtsstaat macht man das so auch weil es Menschen gibt, die sich nicht Versammeln wollen.

Euch interessiert das nicht. Warum eigentlich nicht? Warum sind euch eure Mitmenschen so herzlich egal?

Ihr wollt nicht in eine rechte Ecke gestellt werden. Ich verstehe das! Warum fällt es euch dann so schwer euch klar abzugrenzen? Warum werden in euren Telegramgruppen Nachrichten von Rechtsextremen, AfD und Verschwörungstheoretikern widerspruchslos geteilt?

Warum gibt es keinen Aufschrei wenn in eurer Mitte Menschen mit Reichsfahnen herumlaufen oder Hooligans oder Neonazis? Warum?

Und nein das Argument, dass ihr es nicht gesehen habt, zählt nicht. Die Verantwortung eines Menschen endet nicht an seiner eigenen Wahrnehmungsschwelle.

Einige von euch misstrauen den Medien. Das verstehe ich. Aber ich verstehe nicht, warum ihr einigen Medien vertraut und der Meinung seid, dass dann andere, die eure Meinung bestätigen die Wahrheit schreiben?

Fallen euch diese Widersprüche auf? Haben Medien immer nur dann Recht, wenn sie eure Meinung, die eigentlich schon feststeht teilen? Wo ist der Wille sich wirklich mit den Sachen auseinanderzusetzen?

Einige von euch wähnen sich in einer Diktatur. Ich verstehe eure Kritik an der parlamentarischen Demokratie. Politik wirkt manchmal abgehoben und schnell hat man den Eindruck vergessen zu sein. Aber Diktatur? Wirklich?

Die Regierung wurde in freien Wahlen gewählt. Das macht man so in einer parlamentarischen Demokratie. Diese sogenannte Diktatur lässt euch sogar „spazieren“, ihr könnt eure Meinung frei äußern. Was ist das los? Ich habe eher den Eindruck, dass einige von euch mit Kritik nicht umgehen können und der Meinung sind, dass bereits die Kritik an der eigenen Meinung Zensur wäre. Wirklich? Ihr beruft euch auf Meinungsfreiheit und könnt bereits mit Kritik nicht umgehen.

Ihr wollt für die Grundrechte auf die Straße gehen? Ich finde das gut. Grundrechte sind wichtig. Aber wenn mir Grundrechte wichtig sind, gehe ich nicht mit Menschen auf die Straße, die diese Demokratie und mit ihr die Grundrechte ablehnen.

Ach, ihr habt das nicht mitbekommen weil ihr es nicht gesehen habt?
Nochmal jeder erwachsene Mensch hat eine Verantwortung und die endet nicht an der eigenen Wahrnehmbarkeitsschwelle.

Ihr wollt Verantwortung übernehmen und lehnt es schon ab, dass ein Mensch in einer Gemeinschaft eben auch Verantwortung für andere hat.

Ihr meint Freiheit und meint letztlich nur „ICH“. Dass dieses „Ich“ aber in einer sozialen Gesellschaft lebt und damit Freiheit immer nur in Abhängigkeit von anderen funktionieren kann, interessiert euch nicht.

Weil ihr euch in eurer Freiheit beschränkt seht, ist euch die Freiheit von anderen völlig egal. So sieht das aus.

Was ich verstehe sind Zweifel weil ich selber zweifle. Was ich verstehe ist Kritik. Und es ist wichtig Kritik zu äußern und Dinge zu hinterfragen, immer.

Das ist der Kern der Demokratie. Und ja mich nervt auch der Fundamentalismus mit denen manchmal Maßnahmekritiker vorschnell als „Schwurbler“ abgetan werden. Das ist nicht gut.

Wem andere völlig egal sind, wer mit Rechtsextremen läuft, wem Recht und Gesetz egal ist, dem geht es nicht um Demokratie oder Grundrechte.

Ich verstehe euch nicht. Ihr seid nicht die Mehrheit. Euer Freiheitsbegriff ist sinnentlernt. Euch geht es nicht um diese Gesellschaft oder die Zukunft. Euch geht es um euch selbst und nur um euch selbst.

Das könnt ihr machen. Aber dann seid wenigstens so ehrlich und gebt es zu.

Gestern wurde in Coswig und nicht nur da Pressevertreter angegriffen und mussten die Arbeit einstellen. Polizeibeamte wurden an verschiedenen Orten attackiert und beleidigt alles im Namen eurer „Freiheit“. Ich weiß, ihr habt das wieder nicht gesehen oder mitbekommen. Sehr deutsch dieses von nichts gewusst haben bzw. nicht wissen wollen.

Nein, ich verstehe es nicht. Ich verstehe euch nicht.
Ich erkläre euch nicht den Krieg weil wir nicht in einem Krieg leben und Sprache das Denken prägt.

Es gibt keine Spaltung der Gesellschaft. Auch wenn ihr das gerne so seht. Ihr habt euch abgespaltet und euch aus dieser Gesellschaft verabschiedet. So ist das.

Ich verstehe euch nicht.

Fahrrad fahren auf dem Ring

Ein Kommentar zur Debatte um den Fahrradverkehr in Leipzig.

Verkehr so scheint es, ist ähnlich wie das Essen ein hochemotionales Thema. Niemand will sich vorschreiben lassen, was man isst oder wie man sich zu bewegen hat und belehrt möchte man auch nicht werden.

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Was fehlt. – Ambiguitätstoleranz



Die Tage sind grau. Es ist der Anfang des Jahres. Und nach wie vor habe ich den Eindruck, dass wir immer noch keinen Umgang mit der Situation gefunden haben. Einer Situation, die viele vor Herausforderungen stellt.

Ich bin nicht mehr oft weggegangen, auch vor der Pandemie nicht, weil mir die Zeit fehlt. Aber manchmal reicht es schon aus die Möglichkeit zu haben um sich unbeschwert zu treffen, wieder in den Armen zu liegen.

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Vom Aussterben – über den wachsenden Verlust von Grünflächen in Leipzig.



Leipzig ist einer der am stärksten wachsenden Städte Deutschlands. Der Wohnungsmarkt ist angespannt, weswegen gebaut wird. Was verschwindet sind Grün- und Brachflächen, die die Stadt auch lebenswert gemacht haben.

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Sachen in Sachsen. (Satire)

Unfassbares aus Sachsen.

Gestern wollten erneut sogenannte Querdenker in Dresden einen „Spaziergang“ machen und zwar in der Nähe des Dresdner Universitätsklinikums.

Eine Reihe von Student*innen wollten dies aber nicht unkommentiert lassen und stellten sich mit Kittel und Maske, sowie Schildern vor das Klinikum um ihrerseits ein Zeichen gegen den von Verschwörungsfans und Rechtsextremen verbreitet Unsinn zu setzen.

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Spazieren gehen!



Gestern Abend versammelten sich erneut hunderte Gegner der sog. Corona Maßnahmen in Sachsen. Dabei kam es in etlichen Orten zu gewalttätigen Auseinandersetzung. In Freiberg wurden die Einsatzkräfte der Polizei überrannt.

In Leipzig hatte das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz aufgerufen um deutlich zu machen, dass die sog. Querdenker oder „Spaziergänger“ eben nicht die Mehrheit sind. Insgesamt waren dazu 16 Versammlungen angemeldet. Daran beteiligten sich in der Spitze mehr als 500 Personen.

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