Silvester und Traditionen – dass wird man ja wohl noch sagen dürfen müssen.

Es ist ein guter Brauch, dass alte Jahr würdig zu verabschieden und sich auf das neue Jahr zu freuen. Man trifft sich im Familien- oder Freundeskreis, einige nehmen sich sogar Dinge vor, die sie nach 2 Monaten wieder vergessen haben, es aber diesmal wirklich durchziehen wollen, andere betrinken sich einfach oder ziehen halt einfach was durch.

2022 war irgendwie nicht so schön. Die Jahre davor aber auch nicht und das nächste Jahr wird auf jedenfall besser, bis das neue Jahr da ist und spätestens nach den ersten Wochen oder vielleicht sogar Monaten seinen Reiz wieder verloren hat. So richtig viele Anzeichen das etwas besser wird, im Angesicht multipler sich gegenseitig überlagender Krisen, gibt es zwar nicht außer das etwas neu ist aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Daran knüpft der nächste schöne Brauch an, nämlich nach den ersten paar Wochen, die Bitte und den Wunsch in den sozialen Medien zu äußern, dass man doch das letzte Jahr gern nochmal sehen wolle, weil angesichts des aktuellen Geschehens, war es vielleicht doch nicht so schlecht, sondern nur verdammt unterbewertet.

Kurz: spätestens im Mai ist der Lack ab und zwar so richtig. Dann kommt aber erstmal noch der Sommer und das schöne strahlen und ein bisschen Urlaub machen alles wieder erträglicher, bis man dann in der zweiten Jahreshälfte die Tage wieder sehnsüchtig rückwärts zählt um auch das Jahr zu verabschieden, damit bald alles besser werde. Aber dann so wirklich und richtig.

Zur würdigen Verabschiedung gehört natürlich auch der Alkohol dazu, dessen verantwortungsvoller Umgang in Deutschland quasi von Anfang an gelehrt wird, wie uns immer wieder von den Vertretern der Alkoholindustrie gelehrt wird, die aber vehement Gras beispielsweise ablehnen. Macht ja auch Sinn, etwas das verboten ist, kann man nicht verantwortungsvoll konsumieren. Und bei nur 5 % Prozent Alkoholkranken, was ungefähr dem Alkoholwert eines durchschnittlichen Biers entspricht, hat das ja mit der Eigenverantwortung gut funktioniert, was auch die vielen Verkehrsunfälle beweisen.

Wobei das mit verantwortungsvoll und Eigenverantwortung ist ja auch ein schwieriges Thema. Und viele Menschen zeigen ihre Schwierigkeiten im Umgang mit dem Thema Tag für Tag um dann zum Ausgleich „Freiheit“ zu blöken, was zwar ein wenig redundant und meistens sinnbefreit ist und ein Argument ohnehin nicht ersetzt, aber wenigstens den eigenen Trotz des selbsterklärten „Widerstandskämpfers“ erklärt.

Zur „Freiheit“ gehört für viele dazu, insbesondere für viele Vertreter des rechten Randes, die den vermeintlich Moralaposteln und dem Tugendterror es so richtig zeigen wollen, dass man Feuerwerk steigen lässt.

Es würde sich dabei um einen alten Brauch handeln. Bemüht werden dann meistens die Germanen, die zwar nur ein Sammelbegriff sind und mit Feuerwerk gar nichts am Hut hatten aber immerhin.

Würde man also getreu eines germanischen Stammes handeln, was bestimmt viel schönes hätte, würde man mit Rasseln ein wenig Lärm machen und mit knappen Lendenschurz und ggf. Fellbemützt durch die Lande ziehen um die bösen Geister also „Wuotan“ mit seinem Gefolge und die Dunkelheit zu vertreiben.

Wenn diejenigen, die also meinen sich auf germanische Stämme beziehen zu müssen, konsequent wären, sollten sie auch zur Wintersonnenwende feiern und zwar bitte im entsprechenden Outfit. Das wäre wenigstens historisch richtiger.

Einige neuzeitliche Genossen erinnern in ihrem Benehmen tatsächlich an einen germanischen Stamm, nämlich den der Vandalen, auf die der Begriff des Vandalismus zurückgeht, zwar zu Unrecht und nur weil sie in Rom einmarschiert sind, aber immerhin.

Da wird dann ohne Rücksicht geböllert und gedonnert und auf jede Diskussion zur Einschränkung mit „Freiheit“, s.o. oder „Tugendterror“ argumentiert.

Dass das Feuerwerk ursprünglich aus China kommt zur Zeit der Song- Dynastie und mit Silvester nichts zu tun hatte, spielt in sich verknappenden Argumentationsketten, die von Tradition säuseln und dabei alles wild zusammenhauen, als wäre es ein Raclette – immerhin auch ein Silvesterbrauch, keine Rolle.

Die bösen Geister werden dann sinnigerweise auch von denjenigen als Argumentationsgrundlage herangezogen, die sich selber als Atheisten sehen und vermutlich weder „Wuotan“, noch die „wilde Jagd“ oder mit dem Begriff „Rauhnächte“ etwas anfangen können und Jesu für einen raffinierten Vodka halten oder eine Postmetalband, die es aber im Gegensatz zum Vodka wirklich gibt.

Böllern jedenfalls gehört für einen geringer werdenden Teil dazu und wird umso entschiedener gegen jede/n verteidigt der es wagt, dies in Frage zu stellen.

Das Ergebnis ist dann in der Nacht zu besichtigen, wenn Rauchschwaden und Brandgeruch in der Luft liegt, Lichtblitze die Nacht durchzucken und Sirenen verkünden, dass das mit der Eigenverantwortung wieder nur so semi gut geklappt hat. Ist halt ein bisschen wie Krieg, um dann demnächst wieder für Frieden demonstrieren zu können.

Übrigens erhöht Silvesterfeuerwerk automatisch die Raumtemperatur wenn man es in den eigenen vier Wänden steigen lässt. So als Geheimtipp.

Dabei will ich hier gar nicht mit dem moralinsauren Zeigefinger argumentieren, was mir als Vertreter einer neoliberalen Verbotspartei gleichwohl gut zu Gesicht stehen würde, sondern nur an die Rücksichtnahme erinnern und daran, dass es weniger schön ist, andere Menschen mit in Festlichkeiten einzubeziehen und mit vermeintlichen Traditionen zu bewerfen, die das vielleicht gar nicht wollen.

Aus Gründen des Aberglaubens, der hier ebenfalls bemüht werden soll, bringt es im übrigen Unglück wenn man die Wäsche zwischen den Feiertagen wäscht. Möglicherweise reicht es ja auch aus um böse Geister fernzuhalten, wenn man die schönen Camp David und Yakuza Sachen nicht wäscht und fröhlich und souverän vor sich hin müffelt. Mein Eindruck ist, dass das schon gar kein Geheimtipp mehr ist sondern gut eingeübte Praxis.

Möglicherweise kann man aber einen Ausgleich schaffen, indem man eine Hexe verbrennt und trotzdem wäscht. Für die Freunde, mehrheitlich Männer, die sich gern auf Traditionen berufen, wäre das doch im Wortsinn ein ganzer heißer Tipp,

Alles was ich sagen will, ich wünsche euch alles Gute, so vom ganzen Herzen.

Und das mit der Rücksichtnahme und Eigenverantwortung können wir uns ja für nächstes Jahr als guten Vorsatz auf den Zettel schreiben und es diesmal so wirklich durchziehen, also bis mindestens Februar oder so.

Euer Jürgen.

Im Osten nichts Neues- der Fall Witschas.

Der Landrat von Bautzen Udo Witschas verbreitet ein Video in dem er Stellung zu Unterbringung von Geflüchteten nimmt. Es wird zum Weihnachtsaufreger.

Das Video ist handwerklich schlecht und wirkt unprofessionell. Die Botschaft allerdings ist klar: Geflüchtete gefährden den sozialen Frieden und sollen nicht in leerstehenden Wohnungen untergebracht werden. Dazu muss man wissen, dass der Wohnungsleerstand in Hoyerswerda, einer Stadt im Landkreis, die Anfang der 90er Jahre bereits in den Schlagzeilen war, annähernd 10 Prozent beträgt und selbst der sächsische Ausländerbeauftragte, ebenfalls CDU und ebenfalls ein Hardliner, öffentlich mitteilen lässt, dass die dezentrale Unterbringung die Integration fördere und zu weniger Spannungen führe.

Die Weihnachtsbotschaft des Landrates ist klar rassistisch und menschenverachtend und kein Einzelfall.

Witschas ist der neu gewählte Landrat. Vorher war er erster Beigeordneter und unter anderen zuständig für das Ausländeramt des Kreises.
2015/2016 unterhielt er enge Kontakte zur NPD im Landkreis und musste nachdem er 2017 Daten aus dem Ausländeramt an die NPD weitergegeben hatte, die Zuständigkeit dafür abgegeben.

Nachdem es im September 2016 auf dem Kornmarkt in Bautzen zu einer pogromartigen Stimmungen gegen minderjährige Geflüchtete gekommen war, traf sich Witschas nicht etwa mit Vertretern der Zivilgesellschaft sondern mit Vertretern der neonazistischen Kameradschaften in Bautzen.

Während der Corona-Krise teilte Witschas mit, dass man die Impfpflicht im Landkreis nicht durchsetzen werde und sprach dazu auf einer Demonstration, die aus dem verschwörungsgläubigen rechtsextremen Spektrum organisiert wurde. Auch dafür wurde er folgenlos kritisiert.

Unmittelbar dem Video vorausgegangen war ein Beschluss im Kreistag gegen die Unterbringung von Geflüchteten mit den Stimmen der CDU/ AfD. Es handelte sich um einen AfD Antrag. Witschas hatte danach erklärt, dass es für ihn unerheblich sei wer einen Antrag stelle.

Die Positionen von Witschas sind hinlänglich bekannt und nicht konservativ oder gar christlich sondern im Zweifelsfall eher übereinstimmend mit der AfD. Genau dafür wurde er übrigens auch von den CDU Mitgliedern im Landkreis auch mit ca 94 Prozent gewählt.

Es ist eben kein Einzelfall, wie jetzt suggeriert wird, sondern ordnet sich ein.
Und es ist auch nicht zutreffend, dass sich nunmehr der CDU Bundesvorstand geschlossen davon distanziert hat, wie der Generalsekretär Mario Czaja erklärt. Zum CDU Bundesvorstand gehört auch der sächsische Ministerpräsident und der hat sich explizit nicht distanziert sondern mitgeteilt, dass die Äußerungen aus dem Kontext gerissen seien.

Das wiederum führt zur Frage, ob Rassismus weniger schlimm sei, wenn er im Kontext steht, der ebenfalls rassistisch ist?

Aus Angst vor der AfD in Sachsen, versucht die CDU den Spagat und versucht in einigen Landkreisen, die bessere „AfD“ zu sein, dass man damit menschenfeindliche Einstellungen weiterverbreitet und weiter an der Etablierung der AfD arbeitet, ist der notwendige Kollateralschaden, der in Kauf genommen wird.

In einem Land, in dem pauschal Stimmung gegen Geflüchtete auch von Regierungsparteien gemacht wird, muss man sich nicht wundern, wenn sich die Haltung dazu auch auf der Straße und in den Taten zeigt. Dass Sachsen nach wie vor ein Problem mit Rechtsextremismus hat, kam nicht von heute auf Morgen, sondern hat Gründe.

Witschas ordnet sich in die Liste der Beispielsfälle ein.

Im Osten nichts Neues.

Parteiverbot AfD oder soll man es lassen.



Nicht erst mit dem Bekanntwerden der Putschpläne einer rechtsextremen Vereinigung, in deren Kreisen sich auch AfD Mitglieder bewegten und die über ein ranghohes aktives AfD Mitglied auch Zugang zum Bundestag hatten, stellt sich die Frage eines Parteiverbots, was verschiedentlich gefordert wird.



Ausgangslage:
Das Parteiverbot ist die ultima ratio des Staates. Erst wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, kommt es überhaupt in Betracht. Dazu kommt, dass die verfassungsrechtlichen Hürden sehr hoch sind, was das Bundesverfassungsgericht auch im zweiten NPD Verbotsverfahren ausdrücklich deutlich gemacht hat.
Es braucht die Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, eine kämpferische Grundhaltung und eine ernsthafte Gefahr.

Im Fall der NPD hatte das BVerfG, die Ablehnung der Grundordnung bejaht und dies durch den systemimmanenten Rassismus der NPD herausgearbeitet aber die ernstliche Gefahr verneint. Die NPD war schlicht zu unbedeutend.

Der freiheitliche Rechtsstaat zeichnet sich eben gerade dadurch aus, dass er auch seinen Gegnern die gleichen Rechte einräumt und damit auch zulässt, dass Verfassungsgegner sich darauf berufen können.

Im Einzelfall ist dies schwer auszuhalten aber dies kennzeichnet eben einen Rechtsstaat.

Voraussetzungen.
Während man bei der NPD die Gefahr für die Grundordnung aufgrund ihrer Größe verneinen konnte, dürfte dies bei der AfD zu bejahen sein.

Die Frage ist die Ablehnung der freiheitlich- demokratischen Grundordnung und zwar durch die Partei in Gänze und nicht nur durch einzelne Personen oder Gruppierungen. Hier wird es deutlich schwieriger.

Nach den Kriterien des BVerfG wird man dazu kommen, dass innerhalb verschiedener Gruppierungen der AfD ebenfalls systematischer Rassismus vorherrscht. Bestes Beleg ist hierfür die Thüringer AfD mit Höcke, dem Kopf des nur formal aufgelösten Flügels. Der Rassismus als wesentlicher Programmbestandteil dürfte anhand Reden Höckes und agieren nachweisbar sein. Allein dies reicht aber nicht aus, dies ohne weiteres auf die ganze Partei zu übertragen.

Wir müssen nicht darüber reden, dass die Partei menschenverachtend ist, Einstellungsmuster der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit verbreitet und damit auch Gewalt auf der Straße vorbereitet. Die Frage ist, reicht dies in der Gesamtheit aus um zu einem Verbot zu kommen?

Die Verbotsdiskussion.

Dazu kommt der Umstand, dass die AfD auch aus der Verbotsdiskussion gestärkt hervorgehen könnte. Ein gescheitertes Verfahren dürfte als Bumerang wirken. Ein erfolgreiches Verfahren dagegen wird die Einstellungsmuster der Menschenfeindlichkeit und den gesellschaftlichen Rassismus nicht verschwinden lassen. Es lassen sich Parteien und Vereine verbieten aber keine Einstellungen und Denkmuster. Die Auseinandersetzung mit Einstellungsmustern der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ist so nicht zu gewinnen.

Dazu kommt, dass auch die demokratischen Parteien mit ihrem Kurs in den letzten Jahren zur Etablierung und zum Erfolg der AfD beigetragen haben.

Die CDU, die insbesondere in den Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt immer wieder stark Richtung AfD blinkt und auf kommunaler Ebene zum Teil bereits offensiv zusammenarbeitet, trägt hier eine besondere Verantwortung an der Etablierung.

Das durch ein Verbotsverfahren zudem das rechte Narrativ, des „Opfer“ und Ausgegrenzt seins, Stärkung findet, kommt erschwerend hinzu.

Dennoch sollte die Diskussion geführt werden. Die AfD ist in Teilen eine verfassungsfeindliche Partei, die Teile des Grundgesetzes ablehnt, in deren Reihen organisierte Verfassungsfeinde und Neonazis arbeiten und dadurch Zugang zur sensiblen Infrastruktur hat.

Aber die Auseinandersetzung, siehe oben, ist dadurch nicht zu gewinnen. Die Auseinandersetzung mit Einstellungsmustern der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit muss in aller erster Linie mit demokratischen Mitteln gefochten werden und nicht dadurch, wie die CDU das in Bautzen gerade vormacht, indem man die AfD hofiert um sich möglicherweise einen weiteren Bündnispartner als Verhandlungsmasse und Drohpotential zu erhalten.

Klimaterroristen? – Letzte Generation und eine allzu aufgeregte Debatte



Es wird sich über die Letzte Generation erregt. Also darüber, dass Menschen sich auf die Straße setzen und den Verkehr blockieren weil sie der Meinung sind, dass die derzeitigen Anstrengungen Deutschlands nicht ausreichen um die internationalen Verpflichtungen zu erfüllen.



Der Staat reagiert tatsächlich so, als wäre es „Terror“. Terror ist dabei die oftmals willkürliche Verbreitung von Angst durch Einsatz von Gewalt um Menschen gefügig zu machen.

Man mag von der letzten Generation halten was man will aber es handelt sich zweifelsohne nicht um Terror. Allerdings mit der Suggestion, dass dies vorliege, wird auch von einigen Medien fleissig an der Eskalationsspirale gedreht, die wiederum in Gewalt umschlagen kann.

Wenn diejenigen, die friedlich, wenn auch ggf. rechtswidrig, Straßen blockieren „Terroristen“ sind wird die Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt gesenkt. Mit dem sprachlichen Ausschluss der „LetztenGeneration“ arbeitet man mit der weiteren Eskalation.

Die Mechaniken sind nachzulesen bei Klemperers LTI.

Im Licht betrachtet handelt es sich um Versammlungen, die ggf. unter den Schutz von Art. 8 GG stehen können und sofern sie das nicht tun regelmäßig als Nötigung verfolgt werden können.

Das ist kein Verbrechen sondern im strafrechtlichen Sinne allenfalls ein Vergehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gruppe die Behörden im Vorfeld davon in Kenntnis setzt, was sie wann tut.

Der Staat reagiert darauf allerdings maximal eskalierend. Mit der Ankündigung der Prüfung einer kriminellen Vereinigung wird weiter an der Eskalationsschraube gedreht.



Zu 129 StGB, kriminelle Vereinigung:
Schutzgut ist die öffentliche Ordnung. Der Anwendungsbereich ist sehr weit gefasst und umfasst auch politische Taten. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal wird gefordert, dass die Straftaten „eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten und unter diesem Gesichtspunkt von einigem Gewicht sind“ (Schäfer/Anstötz Rn. 40; Krauß Rn. 53; vgl. auch Gesetzesbegründung; wissenschaftlicher Dienst Btag). Dies ist im Einzelfall zu entscheiden.

Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn sie ein „extremes politisches Anliegen transportieren und einen entsprechendes Demonstrationswert“ haben. Dies liegt bei der LetztenGeneration erkennbar nicht vor. Die Forderung der Einhaltung internationaler Verträge ist ebenso wenig radikal wie die konkrete Forderung eines Tempolimits.
Gegen § 129 bestehen zudem umfassende Bedenken, da er umfassende Eingriffsbefugnisse mit sich bringt und die Strafbarkeit weit ins Vorfeld ausdehnt und daher vor allen Dingen genutzt wurde um politisch missliebige Gruppen zu kriminalisieren.

Eine erhebliche Gefahr lässt sich vorliegend schwerlich begründen. Was man erreichen will ist eine breitest mögliche Einschüchterung, die im Kontext der bisherigen Berichterstattung auch die Wahrscheinlichkeit von direkter Gewalt erhöht.



Demokratie.

Ebenfalls wird in Stellung gebracht, dass die Gruppe demokratische Spielregeln nicht einhalte, daher die durch Wahlen gefundenen parlamentarischen Mehrheiten und Kompromissfindungen nicht akzeptiere.

Dahinter verbirgt sich eine etwas sehr technische Vorstellung der repräsentativen Demokratie. Das Volk darf sich Wahlen beteiligen, sich aber ansonsten zurückhalten.

Das Gegenteil ist richtig. Demokratie lebt auch und gerade vom Streit, vom Infrage stellen und diskutieren. Dazu gehören auch Versammlungen und ja auch ziviler Ungehorsam. Eine Reihe von gesellschaftlichen Veränderungen gingen auch mit Aktionen des zivilen Ungehorsams einher. Man muss das nicht gut finden aber es gehört eben auch zur Geschichte der Gesellschaft. Eine Demokratie muss das aushalten.

Straftaten werden daneben ohnehin geahndet und bestraft. Das ist auch bei einer Nötigung so.

Noch schlimmer wird das Ganze, wenn wie vorliegend, das Handeln der letzten Generation vergleichend dem „Putschversuch“ gegenüber gestellt wird.

Das Handeln der Reichsbürger beim „Putschversuch“, die Feindeslisten anlegten und Waffen sammelten, wird relativiert, das Handeln der Letzten Generation auf die gleiche Stufe gestellt.

Insbesondere von der AfD kommt der Versuch einerseits vom Handeln der eng mit der AfD verbundenen Reichsbürger abzulenken und das Augenmerk auf eine andere Gruppe zu lenken.

Es gibt ausreichend Gründe warum man das Handeln der Letzten Generation kritisieren kann. Die Terrordiskussion gehört nicht dazu.

Ein Brief an einen Freund und Warum es richtig bleibt zu kämpfen.

Ein Freund schrieb mir, dass er sich nicht mehr in der Partei engagiert und zwar vor allen Dingen deshalb da er nicht sieht, dass ausreichend gegen die multiplen Krisen im Bereich Umweltschutz und zwar egal auf welcher Ebene getan wird. Der Kompromiss zwischen Ökologie und Wirtschaft laufe am Ende doch immer nur auf die Ausbeutung der Natur hinaus.
Ich habe versucht ihm zu antworten.




Lieber X,

Ich nehme deine Worte zur Kenntnis, nicht ohne mitzuteilen, dass ich traurig bin. Viele Dinge, die du schreibst kann ich nachvollziehen und verstehe sie nur allzu gut.

Dennoch will ich an einigen Stellen widersprechen weil es notwendig ist. Weil das was du schreibst symptomatisch für weite Teile der Umwelt- und Klimabewegung ist. Politik bzw. Demokratie an dieser Stelle entscheidet sich letztlich im Kompromiss und damit in dem was mehrheitsfähig ist und ggf. wird. Ob das Ergebnis dann den tatsächlichen Anforderungen entspricht, wird dabei (leider) zu wenig beachtet.

Daher ist die Zielstellung immer auch um die Mehrheiten zu kämpfen. Positionen darzustellen und um Mehrheiten zu werben. Nicht ganz aus der Luft gegriffen, wird daher intensiv diskutiert, ob die Demokratie und damit das mühsame Ringen um Mehrheiten, überhaupt in der Lage ist die notwendigen Antworten zu finden.

Ich habe daran Zweifel aber ich kenne keine andere Lösung.

Wenn sich Menschen aus Enttäuschung darüber, dass das was sie für richtig und notwendig erachten aus der Politik zurückziehen verliert die Demokratie, dann verlieren wir. Demokratie ist an dieser Stelle enttäuschend, langwierig und darf dennoch kein Grund sein aufzugeben.

Nimm das viel diskutierte Beispiel Seehausen (eine inzwischen begrünte Deponie auf der eine PV Anlage errichtet werden soll).
Teile der Partei beurteilen das Thema anders. Entsprechend haben wir versucht den Prozess zu moderieren und eine Lösung zu finden, die beiden Teilen Rechnung trägt – eben ein Kompromiss, den wir auch versuchen umzusetzen.

Ich kann nicht verhehlen, dass mir an vielen Stellen nicht einleuchtet, wie etwa eine politische Mehrheit an einem Schützenhof im Auwald festhalten kann oder an einem Motodrom. Umweltpolitischen eine Katastrophe.

Politik ist damit immer auch ein Prozess von persönlicher Enttäuschung. Aber wenn Menschen mit Überzeugung und Idealen sich davon deprimieren lassen, dann kann sich nichts ändern.

Ich bin davon überzeugt, dass wir geradezu in einen Zustand der Unsteuerbarkeit rauschen, der das Leben auf der Erde umfassend verändert wird. Ich glaube nicht mehr daran, dass es gelingt, die Erderwärmung abzubremsen und irgendwie kontrollierbar zu halten und ich nehme zur Kenntnis, dass ich mich damit im Stadtrat als weiter Rufer alleine in der Wüste fühlen darf.

Aber auch das ist kein Grund aufzugeben.

Leipzig ist eine wachsende Stadt. Mehr Menschen, die in die Stadt ziehen, führt auch dazu, dass es enger wird, einerseits, andererseits führt es dazu, dass bestimmte Landstriche und Orte wieder mehr Natur haben. Natur und Umweltschutz enden nicht in Leipzig und es wäre zu kurz gegriffen, nur auf Leipzig zu fokussieren.

Nimm den Leuschnerplatz (zentraler Platz in der Stadt): Eine behutsame Verdichtung ist energetisch sinnvoller, verkehrsplanerisch besser als eine weitere Ausweitung der Stadt in der Fläche. Aber dafür wird dort grün weichen müssen. Wie soll also der Kompromiss aussehen? Wohin mit den Menschen?

….

Es ist im Zweifelsfall einfacher den Rahmen zu verlassen und zu schimpfen und mangelnde Konsequenz zu kritisieren aber was wird sich davon ändern?

Für uns bleibt nur die Auseinandersetzung und umso mehr wir uns gegenseitig schwächen, umso weniger kann sich ändern.

Liebe Grüße