Spazieren gehen!



Gestern Abend versammelten sich erneut hunderte Gegner der sog. Corona Maßnahmen in Sachsen. Dabei kam es in etlichen Orten zu gewalttätigen Auseinandersetzung. In Freiberg wurden die Einsatzkräfte der Polizei überrannt.

In Leipzig hatte das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz aufgerufen um deutlich zu machen, dass die sog. Querdenker oder „Spaziergänger“ eben nicht die Mehrheit sind. Insgesamt waren dazu 16 Versammlungen angemeldet. Daran beteiligten sich in der Spitze mehr als 500 Personen.



Die Lage in der Leipziger Innenstadt gestaltete sich dynamisch, da immer wieder kleinere Gruppen aus dem Querdenker Umfeld versuchten Aufzüge zu starten. Auf dem Nikolaikirchhof und dem Markt wurden mehrere dieser Gruppen festgesetzt und einer Identitätsfeststellung unterzogen.

Insgesamt war das Geschehen in Leipzig gestern deutlich durch die Gegner der sog. Querdenker geprägt.

In den Randbezirken von Leipzig und angrenzenden Gemeinden dominierten demgegenüber Querdenker das Bild unter Ihnen wie immer auch organisierte Rechtsextreme.

Keine Diktatur.

Viele der sog. „Spaziergänger“ eint die Vorstellung in einer Diktatur zu leben. Die Polizei sei damit der lange Arm des „Regimes“, die die in der eigenen Wahrnehmung friedlichen Spaziergänger gewaltvoll unterdrückt, dies „hätte es so nicht einmal in der DDR“ gegeben.

Viele der sich dort Versammelten eint, dass die Kenntnisse über die Funktionsweise der Demokratie und Grundrechte bestenfalls basal ausgeprägt ist. Viele glauben beispielsweise das Versammlungen „genehmigt“ werden müssen und aktuell verboten seien, daher fühle man sich unterdrückt.

Außerdem kommt häufig als Argument, dass ein „Spaziergang“ keine Versammlung sei. Auf diesem Argument beharrt man selbst dann, wenn deutlich gemacht wird, dass sofern mindestens 2 Personen sich mit dem Zweck der gemeinsamen Meinungskundgabe zusammenschließen rechtlich eine Versammlung vorliegt.

Eine Anmeldung führt man nicht durch, weil es ja ein „Spaziergang“ sei und man ohnehin in einem „Regime“ lebe.

Der Eindruck, dass man in einer Diktatur lebe speist sich somit aus eigener (zur Absolutheit erklärter) Wahrnehmung und Unwissen.

Man fühlt sich zu Unrecht als „rechtsextrem“ diskreditiert, weil man selber auch keine Rechtsextremen gesehen hat.

Das niemand pauschal von „Rechtsextremen“ spricht, scherrt da nicht weil es die eigenen Argumentation unterlaufen würde.

Dies wiederum hat etwas mit gruppendynamischen Zusammenhängen zu tun. Die Abgrenzung geschieht über das verbindenden Narrativ, dass man mindestens unterdrückt werde einerseits und von den anderen pauschal diskreditiert wird.

Wenn Bürger, die in einer Diktatur lebten, nunmehr erneut von einer Diktatur sprechen, zeugt dies auch von einem bedenklichen Grad des gesellschaftlichen Meinungsklimas.

Auch die Vorstellung von einer Demokratie sind, analog zu den GIDA Protesten ab 2015, bestenfalls rudimentär ausgeprägt. Demokratie ist in dieser Vorstellung, immer das bestimmen der Mehrheit. Das die hier ausgeprägte Demokratie, eine repräsentative Demokratie ist, die durch Wahlen legitimiert wird und ihre Krönung im Kompromiss findet, der möglichst viele verschiedene Gruppen und Meinungen einschließt wird ausgeblendet.

Weil man sich selber als „die Mehrheit“ fühlt und vorrechnet, dass ja die „Mehrheit“ gar nicht die regierenden Parteien gewählt habe, findet man die eigene Annahme einer „Diktatur“ einer herrschenden „Elite“ bestätigt.

Bildung?

Was fehlt ist an vielen Orten Wissen über die Funktionsweise der parlamentarischen Demokratie und Grundrechte. Der Schwerpunkt im Bildungsbereich sollte daher nicht auf die zur Verfügung stellung von Humankapital für den Arbeitsmarkt zur Erhalt der Wirtschaft stehen, sondern die Entwicklung einer Persönlichkeit, mit Kenntnissen über gesellschaftliche Zusammenhänge, Grundrechte und weiteres, die fähig ist sich des eigenen Verstandes zu bedienen.

Bedeutet, dass auch in den Schulen aktuelle die Gesellschaft bewegenden Fragestellungen viel stärker einbezogen werden müssten, meiner Meinung nach.

Die Demokratie lebt vom Meinungsstreit, in einem demokratischen Rahmen. Da aber weder die Bedeutung des demokratischen Rahmens klar ist, noch was die Meinungsfreiheit im Einzelnen bedeutet, laufen viele Versuche der Kommunikation bisweilen ins Leere.

Die Gegner der Coronamaßnahmengegner

Häufig gebrauchtes Narrativ auf Seiten der Querdenker ist auch, was sich immer wieder wiederholt, ist das diejenigen, die ihnen gegenüberstehen vom „System“ gelenkt sein. Die Vorstellung, dass Menschen auch eine andere Meinung haben können, während viele die Aufassung vertreten, dass man die „richtige“ Meinung habe, scheint unbegreiflich.

Wenn man der Vorstellung anhängt, dass es angeführt von „globalen Eliten“ einen „Great Reset“ gebe und in einer Diktatur sei und dafür auch noch meint Beweise zu haben, ist es schwer zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die das fundamental anders bewerten und widersprechen.

Dabei sind die Aufassung der Gegner der sog. Coronamaßnahmengegner auch sehr unterschiedlich und reichen von der Vorstellung, dass man den neu aufziehenden Faschismus, der Querdenker entgegentreten müssen, bis zum Wunsch nach Solidarität und Unterstützung der Demokratie.

Die Sehnsucht nach den einfachen Erklärungen.

In einer schwierigen, krisenhaften Situation ist die Sehnsucht nach einfachen Erklärungsmustern groß und die Zuweisung von „Sündenböcken“ ebenso.

Die Welt erklärbar und begreifbar machen hilft vielen Menschen offenbar mit der Situation zu Recht zu kommen. Der Zusammenschluß in Gruppen von Gleichgesinnten ebenso, die wiederum sich oftmals negativ zu „den Anderen“ konstituieren.

Nichts davon ist eine neue Erkenntnis und es bringt auch wenig Untergangsszenarien zu beschwören. Gesellschaftliche Spannungen sind in Krisenzeiten normal. Die Frage ist immer wie es gelingt damit umzugehen.

Die Entwicklung hin zu amerikanischen Verhältnissen zeichnet sich allerdings immer stärker ab. Eine Gesellschaft, die allerdings mehr und mehr in einzelne gesellschaftliche Gruppen zerfällt, deren Kontakt schwach ist, wird zukünftig deutlich größere Probleme haben als bislang.

Für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine starke Antwort auf die Krise brauch es mehr als Untergangsszenarien und Warnungen vor einer Spaltung, die es so nicht gibt. Es braucht Bildung, gesellschaftlichen Streit in demokratischen Rahmen und auch und vor allen Dingen Menschen, die diesen Streit auch führen und damit die Demokratie mit Leben erfüllen.

Autor: juergenkasek

Lebe lieber ungewöhnlich. Rechtsanwalt, Politiker, Aktivist, Umweltschützer, Blogger, Sportler

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