Geschichte wiederholt sich ? Leipzig, 07.11.2020 – 06.11.2021



Am 07.11.2020 fand in Leipzig eine der größten sogenannten Querdenkerdemonstrationen im Jahr 2020 statt. Mehr als 20.000 Menschen darunter Reichsbürger, Neonazis und Hooligans demonstrierten. Auflagen wurden nicht eingehalten.

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Im Zweifel für die Freiheit – die autoritäre Versuchung

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Leipzig hat am Wochenende ein Demonstrationsverbot verhangen. Dieses Verbot bezieht sich maßgeblich darauf, dass bei den Versammlungen mit einer kollektiven Unfriedlichkeit gerechnet werden muss und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen.

Unter dem Motto „Alle zusammen“ hatten linke bis linksradikale Gruppen zu mehreren Versammlungen aufgerufen. Die Polizei hatte bereits im Vorfeld ein Verbot gefordert. Der Verfassungsschutz hatte in seiner Gefahrenprognose ebenfalls vor „Linksextremismus“ gewarnt.

Das Verwaltungsgericht hat dieses Verbot im Eilverfahren gehalten. Zusätzlich dazu hat die Polizei einen Kontrollbereich eingerichtet, der von Osten über den Süden bis nach Westen sämtliche Innenstadtnahe Stadtbezirke der Stadt erfasst.

Ein einmaliger Vorgang, der die restiktive Auslegung der Versammlungsfreiheit einmal mehr untermauert.

Das Versammlungsgrundrecht ist essentiell für die Demokratie. Ein Verbot eine absolute Ausnahme.

Tatsächlich ist es das erste mal, dass die Stadt ein derart umfassendes Verbot erlassen hat und das Verwaltungsgericht dieses Verbot auch hält.

Das bisherige Versammlungsverbot welches 2011 erlassen wurde, hatte sich auf die Rechtsfigur des polizeilichen Notstandes gestützt und damit argumentiert, dass aufgrund der angezeigten Versammlungslage nicht ausreichend viele Polizeibeamte zur Verfügung stehen.

Auch die Verbote im Frühjahr bei den sog. Corona Proteste waren im Hinblick auf das Infektionsgeschehen verboten worden und damit im Rahmen einer nicht vergleichbaren Sondersitutation.

Dennoch wird eine Tendenz deutlich. Die Tendenz bei der Abwägung zwischen Sicherheit für die Allgemeinheit und Grundrecht des Einzelnen im Zweifel der Sicherheit einen höhere Stellung einzuräumen.

Im Hinblick auf prognostizierte Ausschreitungen mag das auf den ersten Blick überzeugen.

Aber es bleibt verstörend. Der Wunsch nach Sicherheit, in einer Gesellschaft, die nie sicher sein kann, gefährdet die Freiheit und mit ihr den demokratischen Rechtsstaat.

Wir nehmen immer weitere Einschränkungen der Grundrechte in Kauf und billigen sie sogar. In der Vorstellung einer dadurch zu gewinnenden Sicherheit tendieren viele Menschen immer mehr zu einem autoritären Staatsverständnis und damit einen Staat der vorsorglich Gefahren auch durch schwerste Grundrechtseingriffe unterbindet.

In der Abwägung ob man die Gefahr akzeptieren muss, ob eine Mülltonne brennt oder nicht oder der Versammlungsfreiheit sollte in einem freiheitlichen Rechtsstaat, die Entscheidung immer für den Rechtsstaat ausgehen.

Stattdessen werden im Polizeirecht immer weitere Eingriffsbefugnisse geschaffen, Gerichte argumentieren restriktiver und Bürger fordern weitere Einschränkungen um die Unsicherheit des Lebens und damit die Gefahren nicht zu ertragen.

Auf diese Art und Weise sind wir aber dabei die Freiheit, die Grundlage dieser Demokratie abzuschaffen. Ohne grundrechtliche Freiheit, keine Demokratie, kein Rechtsstaat.

Wir befinden uns auf einem gefährlichen Weg.

Alle zusammen!- Das Verbot der Versammlung oder die Bankrotterklärung des freiheitlichen Rechtsstaates

Alle zusammen!

Die Stadt Leipzig hat die Versammlungen am kommenden Sonnabend in Leipzig verboten. Drei Versammlungen sollten sich zu einer vereinen und gemeinsam in einem Aufzug laufen.

Das Verbot der Versammlung bei dem die Polizei mit einer vierstelligen Teilnehmerzahl aus der linken Szene bundesweit gerechnet hatte, wird mit der Gefahrenprognose von Polizei und Verfassungsschutz begründet.

Tatsächlich gibt es im Vorfeld der Versammlungen einige Aufrufe in den sozialen Netzwerken, die einen unfriedlichen Verlauf befürchten lassen.

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch die Versammlung am 18.09.2021 insgesamt nicht die Schwelle zur Unfriedlichkeit überschritten hat. Einzelne Aufrufe rechtfertigen kein Verbot.

Versammlungen und Aufzüge sind die Ausübung eines Grundrechtes und unerlässliche Voraussetzung einer Demokratie, ebenso wie das Recht auf Meinungsfreiheit.

Und zwar unabhängig davon, ob man das Anliegen der Versammlung teilen kann oder meint es sei gut und richtig oder falsch oder sogar gefährlich.
Dies spielt keine Rolle.

Auch unbequeme Meinungen muss die Demokratie aushalten, die ihren Schutz auch ihren Gegnern zur Verfügung stellt.

Versammlungen können aber nach den Umständen zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von Auflagen abhängig gemacht werden. Im absoluten Ausnahmefall kommt auch ein Verbot in Betracht. Das allerdings nur dann, wenn mildere Mittel also Auflagen nicht durchgreifen.

Es gibt daher auch kaum Versammlungsverbote. Aus gutem Grund.

Wenn nun eine Versammlung verboten wird, wirft dies eine Reihe von Fragen auf und selbst wenn das Verbot gerichtlich halten würden, was bezweifelt werden darf, ist das, auch wenn man dem Anliegen ablehnend gegenübersteht, kein Grund zum Feiern.

Das der Staat, in diesem Fall die Exekutive, die Ausübung eines Grundrechts untersagt, welches für die Demokratie unerlässlich ist, muss jedem Demokraten Kopf zerbrechen bereiten.

Bei den Erkenntnissen vom Verfassungsschutz ist zudem darauf hinzuweisen, dass es sich um eine demokratiefremde Einrichtung handelt. Der Staat, der seine Legitimation durch den Souverän – den Bürger; erhält hat diesen nicht zu überwachen. Insbesondere auch deswegen da der VS eine chronisch unzuverlässig Behörde ist, die eine politische Führung hat.

Das der VS insbesondere in Sachsen immer wieder versucht hat die „linke Szene“ zu kriminalisieren und den Begriff des „Linksextremismus“ exzessiv weit auslegt, dürfte bekannt sein. Bereits die Teilnahme an Klimaprotesten mit der Parole „System change Not climate change“, reicht in Sachsen aus um den Verdacht von „linksextremismus“ ausgesetzt zu sein.

Auch das sich die Polizei, was sie darf, im Vorfeld zur Versammlung äußert und mehr Verbote fordert, kann nicht gefallen.

Egal, wie es am Ende ausgeht. Es ist kein guter Tag für die Grundrechte und den freiheitlichen Rechtsstaat.

Antisemitismus in Leipzig?



Es gibt diesen Fall und er ändert die Sicht auf die Dinge. Ein Sänger, der in einem Leipziger Hotel einchecken wollte, berichtet danach von Antisemitismus. Was folgt ist Aufregung, eine katastrophale Krisenkommunikation des Hotels, ein Netz in Aufruhr.

Jetzt 2 Wochen danach, tauchen neue Erkenntnisse auf. Möglicherweise war doch alles ganz anders. Oder jedenfalls ein bisschen?

Und wieder tobt die Aufregung. Diesmal ist nicht das Hotel schuldig, sondern der Sänger und Ressentiments finden Raum.

In der ganzen Debatte gibt es 2 Ebenen. Die man trennen sollte und trennen muss.

Es gibt die Ebene des konkreten Sachverhaltes – des konkreten Vorwurfs. Und nachwievor ist keine Ermittlung abgeschlossen sondern es wurden innerhalb der letzten 2 Wochen nahezu täglich Wasserstandsmeldungen rausgegeben.

Man kann sich die ganzen einzelnen Meldungen zusammen suchen. Man kann dabei auch die Interessenlage der Beteiligten berücksichtigen, was oft genug außen vor bleibt und feststellen, dass es bislang kein Endergebnis gibt.

Daraufhin ist es ein offener, nicht abschließend zu beurteilender Sachverhalt. Und die meisten Menschen ergreifen Partei, je nach Sichtweise und Einstellung.

Es gibt die 2 Ebene. Niemand wird ernsthaft bezweifeln können, dass es Antisemitismus in Deutschland gibt. Niemand wird ernsthaft bezweifeln, dass Menschen die einen Davidstern tragen oder eine Kippa im Alltag beleidigt werden.

Die Zweifel an dem konkreten Geschehen dürfen nicht dazu führen, dass wir das Vorhandensein von Antisemitismus negieren, dass die Debatte dazu führt die Glaubwürdigkeit generell von Betroffenen in Frage zu stellen.

Es braucht auch keinen konkreten Anlass um sich damit auseinanderzusetzen und es ist genau deswegen auch nicht falsch gewesen unmittelbar danach eine Kundgebung zu machen, die sich wohlgemerkt generell mit Antisemitismus auseinandergesetzt hat und zwar auch mit Antisemitismus innerhalb der linken und Antisemitismus, der geprägt ist durch die Nahostdebatte.

Aber inzwischen werden die Zweifel am konkreten Fall als Beleg dafür genommen, dass es Antisemitismus nicht gibt oder er jedenfalls nicht so schlimm ist. Doch ist es.

Am Ende wird es viele Verlierer geben. Ganz wird sich das Geschehen nicht aufklären lassen. Videos ohne Ton und Aussagen die gegeneinander stehen, erlauben keinen endgültigen Schluss.

Der Sänger verliert Glaubwürdigkeit. Das Hotel aufgrund desaströser Krisenkommunikation und Handeln Reputation.

Das schlimmste aber wäre, wenn wir Antisemitismus nicht mehr ernst nehmen würden. Der Fall ist dafür das schlechteste und beste Beispiel zu gleich.

Denn schlußendlich zeigt er auch die Aufgeregtheit einer Gesellschaft, von der ich Teil bin und mich daher auch nicht frei sprechen kann.

Die Aufforderung: Gegen jeden Antisemitismus zu handeln bleibt richtig. Egal von woher er kommt oder wie er sich äußert. Und das ist das Entscheidende.

Lauter Zufälle beim Thema WestIn Leipzig und Antisemitismus

Natürlich kann es Zufall sein, dass ein Hotel, dass sich gerade mit dem Antisemitismusvorwurf auseinandersetzt, eine Securityfirma beauftragt, deren Geschäftsführer wegen eines besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs, gerade zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt wurde.

Der Mann wurde verurteilt, da er zusammen mit über 200 weiteren Gesinnungsgenossen am 11.01.2016 den Stadtteil Leipzig- Connewitz überfiel. Damals überfielen annährend 250 Neonazis und Hooligans den linken Stadtteil um während des LEGIDA Geburtstages, die so „Verhasste Zeckenhochburg“ anzugreifen. Wahllos wurden Geschäfte und Menschen angegriffen.

Das kann Zufall sein.

Es kann ebenfalls Zufall sein, dass ein weiterer Gast, ein Musikmanager von einem homophoben Ausfall 2020 berichtet.

Und es mag Zufall sein, dass mehrere ehemaligen Angestellten untersagt wurde, ein Kopftuch zu tragen.

Das können alles Zufälle sein. Wenn es soviele Zufälle gibt, wird man allerdings eher von einem strukturellen Problem ausgehen müssen.

Abstoßend ist es allerdings wenn das Hotel immer wieder Mutmaßungen ins Feld führt, während der laufenden Ermittlungen, um die Glaubwürdigkeit des Opfers in Frage zu stellen. Wenn der General Manager, sich hinstellt und sagt ein anwesender Gast, hätte ihm das ganz anders geschildert und danach rauskommt, dass der Gast das gar nicht so genau mitbekommen hat, spricht das für sich.

Größe wäre gewesen zu sagen: Wir nehmen den Vorfall sehr ernst. Wir werden das komplett aufklären. Aus Respekt vor dem Opfer werden wir uns erst am Ende der Ermittlungen positionieren. Antisemitismus und jegliche Form von diskrimierenden Verhalten werden bei uns nicht geduldet, daher haben wir bis zur Aufklärung der Vorwürfe die Mitarbeiter zunächst beurlaubt.

Das hätte man auch auf der Demo sagen können, die nicht etwa das Hotel einseitig verurteilt hat sondern allgemein zum Thema Antisemitismus Stellung bezogen hat.

Aber dann muss es auch darum gehen, nicht etwa in erster Linie sein Image zu retten sondern das was gesagt wurde ernst zu nehmen. Das tut man nicht.

Am Ende steht, egal wie die Geschichte ausgeht, für das West In Leipzig ein mindestens kommunikativer SuperGau und der Hinweis darauf, dass es sicherlich andere Hotels gibt, die im Bereich Antidiskriminierung weiter sind.

Nachtrag zur Antisemitismusdebatte in Leipzig.

Die Antisemitismusdebatte läuft weiter und ist in eine seltsame Richtung abgekippt. Ganz aufgeregt wird inzwischen darüber diskutiert, was denn nun an der Geschichte dran ist.

Das Hotel beauftragt eine Anwaltskanzlei und eine PR Firma. Gegenanzeigen werden gestellt und es wird wild vermutet. Die Glaubwürdigkeit des Sängers wird angegriffen und es werden unlautere Gründe unterstellt. Aus der Vergangenheit tauchen weitere Vorwürfe gegen das Hotel auf. Zum Thema Antisemitismus gesellt sich Homophobie.

Am Ende werden, absehbar, vor allen Dingen auf allen Seiten Zweifel bleiben. Zweifel, die die Wahrheit, das was geschehen ist, verdecken. Und wahrscheinlich dürfte das auch genau das Ziel sein und zwar unabhängig vom Geschehen.

Am Ende wird Aussage gegen Aussage stehen und am strukturellen Grundproblem wird sich nichts ändern.

Ich habe keinerlei Zweifel, dass Menschen die sichtbar einen Davidstern tragen in Deutschland Diskriminierung und offenen Antisemitismus erleben. Keinen Zweifel!

Gehen wir zurück.

Es gibt Antisemitismus in Deutschland. Und die Zahl an Taten hat zugenommen. Das ist feststehend und bestürzend. Es braucht auch keinen Anlass oder besser gesagt sollte es keinen Anlass bedürfen, sich damit auseinanderzusetzen.

Die Nationalität der Täter spielt dabei auch keine Rolle, darf keine Rolle spielen. Antisemitismus wird nicht dadurch zu rechtfertigen sein, dass die Person des Täters eine andere Nationalität hat.

Diese Erklärung ist das klassische Bullshitbingo des Rassismus, der sich selbst bei dem Thema dahin äußert, dass der Antisemitismus ja „zugereist“ sei. Auf Menschenfeindlichkeit (Antisemitismus) wird mit Menschenfeindlichkeit (Rassismus) geantwortet. In einem Wort: widerwärtig.

Es geht nicht um das Hotel, es geht nicht um den Sänger, es geht um Antisemitismus in Deutschland.

Lassen wir uns nicht ablenken. Konzentrieren wir uns auf das Wesentliche: darauf, dass es in Deutschland Antisemitismus gibt und arbeiten wir daran die strukturellen Probleme zu lösen und gegen die Vorurteile und Einstellungsmuster der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zu arbeiten.

Dazu braucht es keinen Anlass und keinen Grund. Eine Haltung, die an den Menschenrechten orientiert ist, reicht dazu eigentlich völlig aus. Und das – ist das Mindeste.