Angriffe

Angriffe.

Es fängt immer gleich an. Der Name taucht auf, wird markiert. Drohungen folgen. Das markierte Ziel soll eingeschüchtert werden. Dann folgen Angriffe, die über die Nennung hinausgehen, Aktionen, die Angst machen sollen.

Nein, es geht nicht um mich. Es geht um einen Freund. Ich habe in vielen Situationen den Vorteil bekannt zu sein. Diese Bekanntheit schützt hin und wieder auch vor direkten Übergriffen weil im Ernstfall dann doch Polizeischutz folgt.

Mein Freund hat diese Aufmerksamkeit nicht. Er, Familienvater, Angestellter, Leipziger Mittelstand, engagiert sich. Er hat eine Meinung und macht sie deutlich.

Vor einem Jahr hat er sich das Mikrofon auf einer von rechten durchsetzten Querdenkerveranstaltung gegriffen und gesprochen. Kritik an den Teilnehmer*innen deutlich gemacht. Dafür wurde er ausgepfiffen und ist seitdem im Fadenkreuz.

Vor einigen Wochen, er war auf dem Weg zur Arbeit, tauchten 2 Männer in seiner Wohngegend auf und fragten nach ihm. Männer, die wir inzwischen zuordnen können.

Gestern am frühen Morgen wollte er mit seinem Auto die Kinder in Schule und Kindergarten fahren und dann zur Arbeit, wie jeden Morgen.

Am Auto waren großflächige Grafitti Schmierereien angebracht. „Fck AfA“, „DRK Zecke“. Wahrscheinlich kein Zufall.

Der Sachschaden ist das eine, die Angriffe im persönlichen Umfeld meines Freundes etwas anderes. Was die Täter bezwecken ist Angst hervorzurufen. Bedrohungen auch gegen die Familie zu erzeugen.

Ich kenne viele dieser Geschichten. Menschen, die sich aus Angst um ihre Familie überlegen, ob sie weitermachen oder ihr demokratisches Engagement reduzieren, weil sie sonst Angriffsziele werden könnten.

Es gibt sie an vielen Orten. Was hilft ist das Schweigen zu brechen. Darauf hinzuweisen, darüber zu reden und jeden dieser Angriffe deutlich zurückzuweisen und Solidarität mit den Angegriffenen zu üben.

Wir lassen uns nicht einschüchtern. Und die Angst wird nicht erfolgreich, wenn wir zusammenstehen.

Zusammenhalten, Stand halten, gegen rechte Hetze und Hass.

K., du bist nicht allein. An deiner Seite.

Zur Spendensammlung HTTPS://gofund.me/a659155f

Die Gesellschaft der Erregung – der Fall Faeser.



Die Gesellschaft sucht nicht nach Erkenntnissen sondern nach Erregung.
Der Wunsch nach Aufregung, nach Skandal und Schuldzuweisungen, wie er alltäglich ist, traf diesmal die Bundesinnenministerin.

Diese, so lautet der Vorwurf, hat einen Gastbeitrag in der Zeitschrift „antifa“ geschrieben. Dies wiederum ist die Zeitschrift des VVN-BDA, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, 1947 von Widerstandskämpfern und ehemaligen KZ Inhaftierten, gegründet und nach wie vor wichtigste Interessensvertretung der Verfolgten des Naziregimes.

Aufgrund dessen nehmen an Veranstaltungen des VVN BDA deutschlandweit auch Politiker*innen teil und zwar quer durch alle Parteien, auch CDU, außer der AfD.

Der bayrische Verfassungsschutz und nur der bayrische Verfassungsschutz hält den VVN- BDA für linksextremistisch beeinflusst. Der Vorwurf lautet also nicht, dass es sich um eine linksextremistische Organisation handle sondern um eine durch „Linksextremisten“ beeinflusste.

Richtig ist ebenso, dass der VVN BDA in früheren Zeiten stark kommunistisch geprägt war und durch die DDR mittfinanziert wurde. Beides ist nicht mehr der Fall.
Die Einstufung, die nur noch der bayrische Verfassungsschutz vornimmt, ist daher hochgradig umstritten.

In dem Artikel, um den es denjenigen die sich erregen gar nicht geht, äußert sich die damalige Abgeordnete zum Thema NSU 2.0 und beschreibt das Internet als Radikalisierungsmaschine. Der Text, den wahrscheinlich die meisten, die meinen sich zum Thema zu äußern zu müssen, nicht kennen, ist harmlos und taugt nicht zu einem Vorwurf in irgendeine Richtung.

Kritisiert wird Faeser deswegen auch nicht was sie gesagt hat, sondern wo.

Lanciert wurde die Kampagne von der „Jungen Freiheit“, die wiederum als Scharnier zwischen Konservatismus und Neuer Rechter gilt und die lange Zeit ebenso im Verfassungsschutzbericht stand. Konservative Politiker geben dort regelmäßig Interviews. Aufregung regt sich darüber kaum noch.

Diese ganzen Feinheiten spielen allerdings für die Ankläger keine Rolle, die wiederum vortragen, dass die Innenministerin offenbar eine problematische Nähe zum „Linksextremismus“ hätte und sich davon abgrenzen möge.

Zurückgegriffen wird dabei nicht auf Inhalte oder Aussagen sondern die Anklage wird geführt mit dem Verfassungsschutz eines Landes, wobei außer acht gelassen wird das dieser VS eine Behörde ist, die dem Innenministerium unterstellt ist, dass heißt politisch abhängig.

Dass außerdem die wissenschaftlich problematische Extremismusdoktrin wiederholt wird, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt, ebenso wie der Umstand, dass sich keine Aussage oder Dokumente finden lassen aus denen hervorgehen würde, dass Frau Faeser eine irgendwie geartete Nähe zu „linksextremen“ Kreisen hätte oder „Linksextremismus“ hätte.

Aber im Sturm der Entrüstung reicht die Behauptung, eine dünne Argumentationskette, außer Achtlassung aller vernünftigen Standards und die Welle der Aufregung rauscht durch das Netz.

Ebenso berechnend wie lächerlich. Weil in der Aufregung über die vermeintliche Nähe der Innenministerin zum „Linksextremismus“ sich der „Rechtsextremismus“ wunderbar relativieren und aufwiegen lässt.

Die Kampagne hat schon einen Sinn. Die Aufrechnung soll funktionieren und die ganzen Trolle dürfen sich getriggert und bestätigt fühlen, weil nun ja weil eigentlich.

Aber die Aufregung ist da und irgendwas bleibt schon hängen.

Club- und Kulturkataster.

Es war einmal Club. Die Menschen liebten ihn. Er war ein bisschen wie das Sisyphos in Berlin. Mit Nischen und Ecken, verspielt und zum entdecken. Es war das So und So.

Und vielleicht würde es diesen Club noch geben, denn da wo er stehen sollte und stand ist jetzt nichts mehr. Ein leeres, totes Baufeld.

Vielleicht wäre alles anders gekommen hätte es damals schon ein Clubkataster gegeben, das anzeigt wo es überall Clubs- und Livemusikspielstätten gibt. Und man hätte diesen Informationen nehmen können um sie von Anfang in den Prozess der Bauleitplanung einzuspeisen.

Eben nicht nur Quartiere am Reißbrett planen, wo Kultur bitte aseptisch sein soll und nicht stören darf. Aber Kultur muss stören, muss aufbegehren, muss unbequem sein. Eine Stadt, nur zum arbeiten und schlafen, ist keine Stadt, hat keinen Reiz sondern ist to

Und Clubkultur ist Kultur. Ist wichtig. Ist ein Ort, wo Menschen sich begegnen und Erfahrungen sammeln können.

2018 demonstrierten wir für den Erhalt der Clubs mit tausenden Menschen. Wir tanzten bis zum Morgen. Wir schrieben Anträge und Petitionen. Nicht aufgeben, nichts verzeihen. Die Orte, die wir brauchen verteidigen.

Orte, wo Menschen sich treffen können in einem safe space und über die Liebe zur Musik eine Sprache finden.

Mehr als 4000 Menschen unterschrieben die Petition des LiveKommbinat Leipzig e.V., die ich mit bearbeiten durfte, zum Erhalt und für das Clubkataster. Und Menschen fingen an zu arbeiten.

Und jetzt endlich ist es da: das Clubkataster, dass weiter entwickelt werden soll zum Kulturkataster und die Orte der Kultur für alle sichtbar macht und damit auch Berücksichtigung finden kann in der Gestaltung der Stadt.

Nein, das So und So, geliebtes Kleinod, Zufluchtsort für die Rebellion der Träumer, haben wir nicht gerettet aber es ist nicht umsonst gestorben.

Die Kämpfe waren nicht umsonst, denn es gibt jetzt eine Grundlage für den Erhalt des Bestehenden zu kämpfen und auch sichtbar zu machen wo Kultur fehlt.

Es war nicht umsonst und tausende Menschen haben mit ihrer Unterschrift und ihrem Engagement es mit möglich gemacht.

Es stimmt. Demokratie ist manchmal anstrengend und Verwaltungsarbeit langwierig aber sie ist eben nicht sinnlos sondern wird durch das Handeln vieler erfolgreich.

Kein Club wird je vergessen werden.
Forever So und So.