Nach dem Urteil im Prozess gegen die Gruppe um Lina E, dass nunmehr voraussichtlich in Revision gehen wird, so dass mit einem rechtskräftigen Endurteil nicht zeitnah zu rechnen ist, richten sich die Augen am Wochenende auf Leipzig.
Angezeigt war eine Versammlung, die im Kontext des Urteils zu lesen war und die nunmehr mit dem Hinweis auf § 15 sächsVersG verboten wurde. Bereits am Dienstag hatte die Stadt per Allgemeinverfügung alle Versammlungen, die im Kontext des Urteils stehen und nicht bis Mittwoch 24 Uhr angemeldet waren verboten. Donnerstagabend folgte das erwartete Verbot der zentralen Demonstration.
Rechtsstaat am Anschlag.
Versammlungen werden nie (!) genehmigt. Sie sind Ausdruck einer Inanspruchnahme der Grundrechte und essentiell in einer Demokratie und zwar unabhängig vom Anliegen. Ihre Voraussetzung ist allerdings auch die Friedlichkeit. Der Rechtsstaat gewährt auch seinen Gegnern die gleichen Rechte. Auch wenn das im Einzelfall schwer zu verstehen und zu akzeptieren ist.
Das ist die Grundlage unserer Demokratie.
Ein Eingriff in die Grundrechte, der so schwerwiegend ist, dass es auf ein faktisches Verbot hinausläuft ist die ultima ratio und bedarf besonderter Begründung und muss immer kritisch zu sehen sein.
Grundlage des Verbots ist die Gefahrenprognose, die von Polizei und Sicherheitsbehörden erstellt wird.
Das Problem ist die Gefahrenprognose lässt sich in der kürzer der Zeit und im Regelfall ohne Einsicht in die Unterlagen, die selbst die Anmelder nicht bekommen, nicht überprüfen.
2011 in einem Verbotsverfahren etwa waren seitenweise Dokumente geschwärzt, so dass es auch für einen Anwalt schwierig ist, die Gefahrenprognose anzugreifen. Die Dokumente sind geschwärzt, da sonst die Gefahr besteht, Erkenntnisse über die Beschaffung von Informationen durch die Sicherheitsbehörden zu gewinnen.
Der Staat lässt sich nicht gerne in die Karten schauen.
Dies bedeutet aber auch, dass aufgrund der Kürze der Zeit die Einschätzung der Sicherheitsbehörden auch für Gerichte kaum zu überprüfen ist und die Verwaltungsgerichte in den letzten Jahren zunehmend dazu tendieren im Zweifel gegen die Freiheitsrechte und zu den Eingriffen zu tendieren. Das ist hochproblematisch.
Die Gefahrenprognose.
Ohne die Erkenntnisse auf welche Grundlage, die Behörden ihre Einschätzung stützen ist es kaum möglich seriöse Aussagen zu treffen.
Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass es Gewaltaufrufe gibt, muss der Staat vorher mildere Mittel nehmen, wie Auflagen und im Zweifelsfall die Anzahl der Polizeibeamt*innen erhöhen.
Hier liegt aber das Problem.
Morgen gibt es in Leipzig mehrere Großveranstaltungen, angefangen von Konzerten über Stadtfest bis hin zu Fußballspielen. In der Rechtsgüterabwägung geht eigentlich die Versammlungsfreiheit vor und die Aussage, dass es nicht ausreichend Polizeibeamt*innen gibt, was die eigentliche Grundlage ist, verbietet sich eigentlich.
Der Rechtsstaat muss die Inanspruchnahme der Freiheitsrechte gewährleisten auch wenn es Gewaltaufrufe gibt.
Und hier liegt das Problem.
Die Bereitschaft Freiheitsrechte einzuschränken um ein Zugewinn an Sicherheit zu gewinnen wächst und wird auch in breiten Teilen der Bevölkerung getragen.
In einer multikomplexen Welt, mit multiplen sich gegen seitig überlappenden Krisen, wächst aber die Zustimmung auch zu autoritären Einstellungsmustern, die sich auch in der Forderung zeigen, dass der Staat durchgreifen muss.
Bedenklich allemal.
Was geschehen wird.
Ob das Verbot hält werden die Gerichte entscheiden. Das es insgesamt dazu beiträgt, dass das Geschehen ruhiger wird, darf bezweifelt werden, denn das hängt im Einzelfall vom Umgang auch der Sicherheitsbehörden mit Aufläufen zusammen und auch von denen, die sich versammeln wollen.
Vorab wurde reichlich Öl ins brennende Feuer gekippt. Aber es ist nie zu spät umzukehren und den Weg der Deeskalation einzuschlagen. Sich nicht provozieren zu lassen, sich nicht der Wut hingeben, besonnen bleiben.
Und in einem aufgeklärten Staat sollte man das Handeln des Staates immer hinterfragen.