Tag X und kein Ende – was die Polizeiakten verraten

Der sogenannte Tag X, 03.06.2023, in Leipzig bewegt auch weiterhin die Gemüter.

Am Wochenende nach der erstinstanzlichen Urteilsverkündung im Fall Lina E. hatte die linksautonome Szene zu einer Reaktionsdemonstration in Leipzig aufgerufen. Diese Demonstration wurde rechtskräftig verboten. Sowohl das Verwaltungsgericht, als auch das Oberverwaltungsgericht bis hin zum Bundesverwaltungsgericht, dass erst am Ereignistag selber entschied, hatten das Verbot im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bestätigt.

Parallel dazu hatte die Stadt per Allgemeinverfügung alle Demonstrationen im Kontext dieser Demonstration verboten und ein spezifisches Demonstrationsverbot verhängt. Die Polizei hatte beginnend ab Freitagabend bis zum Sonntag hin im kompletten Süden von Leipzig ein Kontrollgebiet eingerichtet.

Aufgrund dieses massiven Eingriffs in die Versammlungsfreiheit und damit den Grundrechten, das einem faktischen Verbot gleichkam hatte der Verein Say it loud e.V., für den Sonnabend ein Demonstration unter dem Motto „die Versammlungsfreiheit gilt auch in Leipzig“ angemeldet. Diese Demonstration war nicht untersagt.

Als gegen 15 Uhr am Sonnabend das Bundesverfassungsgericht das Verbot der „Tag X“ Demonstration, die auf Höhe der HTWK starten sollte bestätigte, begaben sich auch mögliche Teilnehmer*innen dieser Demonstration zum Alexis Schuhmann Platz, dem Ort der angemeldeten und nicht verbotenen Versammlung für Versammlungsfreiheit.

Was folgte ist bekannt. Die Demonstration durfte nicht loslaufen und endete für 1323 Personen in einem Polizeikessel, der von 18 Uhr – bis gegen 6 Uhr am Folgetag reichte.

Nunmehr hat „Frag den Staat“ über das allgemeine Auskunftsersuchen Einblick in die polizeilichen Protokolle bekommen.

Die Ergebnisse lassen tief blicken. Es wird deutlich, dass es nie die Absicht gab die Demonstration laufen zu lassen. In der Gesamtabwägung war klar, dass sobald eine bestimmte Anzahl an Personen an dieser Demonstration teilnimmt, man diese nicht laufen lassen würde.

Eine politische Entscheidung, die nicht allein die Polizeiführung getroffen hat, sondern die auch durch den Innenminister gedeckt war.

In Erwägung, dass es zu Gewalt kommen könnte wurde durch die Polizei nicht durch die anwesende Polizei- und Versammlungsbehörde aka Stadt Leipzig eine stationäre Versammlung festgelegt zu einem Zeitpunkt als noch Verhandlungen zwischen Versammlungsleiter und Versammlungsbehörde liefen.

Dies geschah zu einem Zeitpunkt als es offenkundig keinen Grund dafür gab. Zu diesem Zeitpunkt war die Versammlung schon weiträumig von Polizeikräften (4000 Beamte) umstellt. Auch das sagen die Protokolle deutlich.

Mit fortlaufender Zeit wurde die Versammlungsmenge, weit über 1000 Personen, unruhiger und es kam zu einem Ausbruchsversuch aus dem zu diesem Zeitpunkt schon vollständigen Umschließung der Demonstration. In der Folge entwickelte es sich ein Krawall, der nach wenigen Minuten allerdings beendet war und sämtliche Personen auf Seiten des Heinrich- Schütz Platzes wurden umstellt.

Ursprünglich ging die Polizei davon aus, dass sie lediglich 200 Personen umstellt hatte. Es waren 1323. Selbst nach Stunden war der Polizei die Zahl nicht klar, die Versorgung unsicher und bis nachts 22 Uhr erst 100 Personen abgearbeitet.

Es ist der Offenbarungseid des Rechtsstaates. Gegen all diese Personen wird nach wie vor ermittelt wegen Verdachts des Landfriedensbruchs. Im Kessel waren auch völlig unbeteiligte Menschen, ein Großteil. Der Vorwurf sie wollten an einer angezeigten und nicht verbotenen Versammlung teilnehmen.

„Frag den Staat“ hat ebenfalls nachgefragt, ob alle Personen nunmehr in der polizeilichen Kriminalstatistik und beim VS als Linksextreme geführt werden und so Eingang finden. Es wäre keine Überraschung und auch die Argumentationsgrundlage für den rechtskonservativen Rand weitere Repressionen gegen vermeintlich linke Gruppen zu fordern.

Ich war der Versammlungsleiter dieser Demonstration, meine Freundin Irena Rudolph-Kokot war die Anmelderin.

Einer Demonstration, die nichts weiter wollte als für Versammlungsfreiheit zu demonstrieren in einem Staat, der im Einzelfall das Interesse an der Unversertheit einer Glasscheibe und Mülltonne höher gewichtet als die Grundrechte.

Wir waren bis in die Nacht vor Ort, haben versucht zu verhandeln, mit Menschen gesprochen, verzweifelte Eltern erlebt und danach mit Menschen getroffen, völlig normalen Menschen mit Familie, bei denen etwas an diesem Tag kaputt gegangen ist.

In uns ist an diesen Tag auch etwas gestorben und es verfolgt uns bis heute.

Auch wir als Versammlungsleiter und Anmelder*in haben Fehler gemacht. Auch das gehört dazu.

Und alles was wir wollen ist Gerechtigkeit für jene, gegen die zu Unrecht ermittelt wird, die zu Unrecht zu Gewalttätern abgestempelt werden und die kriminalisiert wurden.

Wir werden nicht vergessen und wir werden nicht ruhen. Wir kämpfen für Gerechtigkeit, immer noch.

Herrenchiemseer Verfassungskonvent – warum das Grundgesetz antifaschistisch ist.

Nochmal kurz notiert – die Geschichte des Grundgesetzes.
Am 10. August 1948 traf sich der sog. Herrenchiemseer Verfassungskonvent für 2 Wochen und legte damit die Grundlage für das Grundgesetz.

Das Grundgesetz, dass die Grundrechte kodifiziert und damit Abwehrrechte gegen ein staatliches Handeln und das in Abkehr des Nationalsozialismus verfasst wurde. Es ist das in Sprache gegossene „Nie wieder“ und schafft gleichzeitig einen Werterahmen des Zusammenlebens in Deutschland.

Angesichts der Auseinandersetzung um die Meinungsfreiheit, muss auch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass der Grundgedanke des Grundgesetzes explizit antifaschistisch ist.

In die Meinungsfreiheit , Art. 5 GG, kann nur auf Grundlage eines allgemeinen Gesetzes eingegriffen werden, dass zum Schutz eines höherrangigen Rechtsgutes dient und keine Meinung im einzelnen verbietet.

Eine Ausnahme gibt es. Die positive Bezugnahme auf den Nationalsozialismus, strafbar etwa in § 130 IV StGB, ist schlechthin strafbar und das aus gutem Grund.

„Die Vorschrift dient nicht dem Schutz von Gewaltopfern allgemein und stellt bewusst nicht auf die Billigung, Verherrlichung und Rechtfertigung der Gewalt- und Willkürherrschaft totalitärer Regime insgesamt ab, sondern ist auf Äußerungen allein in Bezug auf den Nationalsozialismus begrenzt.“ (BVerfG, BvR 2150/08 )

Und weiter:

„Das menschenverachtende Regime dieser Zeit, das über Europa und die Welt in unermesslichem Ausmaß Leid, Tod und Unterdrückung gebracht hat, hat für die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland eine gegenbildlich identitätsprägende Bedeutung, die einzigartig ist und allein auf der Grundlage allgemeiner gesetzlicher Bestimmungen nicht eingefangen werden kann. Das bewusste Absetzen von der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus war historisch zentrales Anliegen aller an der Entstehung wie Inkraftsetzung des Grundgesetzes beteiligten Kräfte.“

In einer Zeit, in der menschenverachtende Äußerung, die Abwertung von anderen Menschen, die Verwendung von Versatzstücken von NS Reden, wieder in die Politik Eingang finden. Muss man daran erinnern, sich damit auseinandersetzen und darf auch darauf abstellen, dass diese Demokratie nicht wehrlos ist und von den Menschen lebt, die Demokratie und ihre Werte leben

Der Kessel von Leipzig – ein Protokoll.

Vorab: Dieses Protokoll fußt auf den Aussagen einer Vielzahl von Betroffenen.

Am 03.06. sollte in Leipzig eine Demonstration im Kontext des sog. Antifa Ost Verfahrens stattfinden. Diese Demonstration wurde am Donnerstag, den 01.06. verboten. Bereits ab dem 31.05. galt eine Allgemeinverfügung, die jegliche Demonstrationen, die nicht bis zum 31.05. 23:59 Uhr angemeldet waren zu untersagen.

Am 31.05. hatte der „Say it loud“ eV eine Versammlung für die Grundrechte angemeldet als Folge der Allgemeinverfügung, die nicht verboten wurde und entsprechend beauflagt war. Diese Versammlung sollte am 03.06. um 16:30 Uhr beginnen.

Unmittelbar vorher hatte das Bundesverfassungsgericht in letzter Instanz das Verbot der sogenannten TagX Demo im Eilverfahren bestätigt.

Nachdem ab 17 Uhr immer mehr Menschen zu angemeldeten Demonstration des „Say it loud“ strömten wurde nachträglich der Aufzug untersagt und der Platz von Polizeikräften umschlossen, so dass nur noch ein abfliessen nach Süden möglich war.

Da in mehreren Verhandlungen mit Behörde und Polizei keine Lösung möglich war wurde ein Daily Plenum einberufen um mit Vertretern der anwesenden Gruppen eine Lösung zu finden. Als etwa 30 Personen eingetroffen waren, gab es unmittelbar daneben eine Eskalation. Rund ein dutzend Personen rannte aus der Demo kommend Richtung Osten und bewarf dabei anwesende Polizeikräfte mit Böllern.

Die Situation wurde unübersichtlich. Auch aus dem hinteren Teil der Versammlung kam es zum Bewurf mit Steinen und Flaschen.

In der Folge umschloss die Polizei den gesamten Heinrich Schütz Platz und damit annährend 1000 Personen und zwar unterschiedslos. Darunter auch völlig Unbeteiligte.

Diesen Personen wurde unisono der Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs gemacht und die Daten aufgenommen, sowie die Handys eingesammelt.

Die Maßnahmen zogen sich vom 03.06. gegen 18:10 Uhr bis zum 04.06. gegen 6 Uhr hin. Einzelne Personen verbrachten bis zu 11 Stunden in einem Kessel, der sehr eng von der Polizei umschlossen war.

In dieser Zeit wurde eine Grundversorgung mit Nahrungsmitteln nicht sichergestellt. Einzelne Getränke und Nahrungsmittel konnten nur durch die Demosanitäter an die Umschlossenen gegeben werden. Sanitäre Einrichtungen oder die Möglichkeit zum Toilettengang gab es nicht.

Daraufhin wurde ein Busch notdürftig abgehangen und als Notklo genutzt.

Gleichzeitig war der Platz so beengt, dass die meisten Umschlossenen stehen mussten und sich nicht hinsetzen konnten.

Mehrere Personen schildern übereinstimmend, dass die Polizeibeamten immer wieder Druck auf den Kessel gemacht hätten und reingestürmt wären, ohne erkennbaren Grund und dabei gezielt Richtung Kniekehle bzw. Knie getreten und gezielt auf Gesichtshöhe geschlagen hätten.

In der Folge sind mehrere Personen erheblich verletzt wurden.

Ein Jugendlicher schildert, dass die Polizei beim Vorrücken, seinen neben ihn postierten Freund zunächst mit Faustschlägen traktierte, so dass er ohnmächtig wurde und als er am Boden lag weitere Tritte abbekam. Einen davon gegen den Kopf.

Der Jugendliche wurde mit einem Jochbeinbruch und Gehirnerschütterung nach 2 Stunden ins Krankenhaus geliefert. Obwohl die Eltern vor Ort waren, blieben auch die Polizeibeamten anwesend.

Einem anderen Jugendlichen wurde die Hand gebrochen. Mehrere Personen im Kessel wurden ohnmächtig, ohne das es adäquate Versorgung oder Behandlung gab.

Eltern berichten, dass sie aus dem Kessel von ihren jugendlichen Kindern ( unter 18 Jahre) angerufen wurden. Die Eltern schildern weiter, dass sie vor Ort keine Informationen bekamen. Trotz Anwesenheit der Eltern wurden nach der Identitätsfeststellung, die Kinder nicht an ihre Eltern übergeben. Fotoaufnahmen, zum Teil Fingerabdrücke, erfolgten ohne die anwesenden Eltern zu informieren.

Einige Eltern fuhren in der Nacht bis zur Dimitroffwache. Auch dort bekamen sie keine Informationen zum Verbleib ihrer Kinder. Anwesende Beamte meinten, dass erst der Haftrichter entscheiden müsse. Bei Minderjährigen gibt es keine (!) U-Haft.

Eine Mutter schildert, dass sie an diesem Tag mit ihren 6 und 13 jährigen Kindern auf der Karl- Liebknecht Str. spazieren war und sie durch den Tumult durch Zufall in den Kessel geriet. Durch anwesende Polizeibeamte wurde ihr der Vorwurf gemacht, dass sie unverantwortlich handle.

Mehrere junge Frauen berichten, dass bei Ihnen eine Leibesvisitation durchgeführt wurde und dabei gezielt die Brüste abgetastet wurden und mit der Taschenlampe auch in die Unterhose geleuchtet wurde.

In der Erwartung und herbeireden einer ähnlichen Lage wie in Hamburg zu G20 und der Annahme, dass tausende Autonome in Leipzig einfallen würden, wurden 3000 Beamte und 10 Wasserwerfer aus 12 Bundesländern zusammengezogen. Viele Beamte gingen offenbar davon aus, dass sie ein Demonstrationsverbot durchsetzen sollten, obwohl die tatsächliche Demonstration nicht verboten war.

Mehrere Beamte äußerten in der Nacht ihr Unverständnis über das Vorgehen. Zitat: „Bei uns in NRW gibt es das nicht“.

Es war nie Ziel der Polizei, dass diese Versammlung laufen konnten. Vielmehr zeigt sich, dass es das Ziel war möglichst viele Personen für lange Zeit festzuhalten, unabhängig der Rechtswidrigkeit, umso zu verhindern, dass an anderer Stelle etwas geschehen kann.

Dass dabei fast ausschließlich völlig friedliche Menschen getroffen wurden, war egal. Die Gruppe aus der Steine und Flaschen flogen war zum Zeitpunkt der Umschließung bereits Richtung Süden verschwunden.

Ebenfalls waren dutzende Zivilbeamte eingesetzt, ohne das dies angezeigt wurde. Die Vermutung, dass diese als agent provocateurs arbeiteten und die Auseinandersetzung mindestens forcierten liegt nahe.

Fazit. Der Kessel von Leipzig, die Umschließung von hunderten Personen über Stunden ist der Offenbarungseid des Rechtsstaates. Hunderte von Menschen wurden unter menschenunwürdigen Zuständen stundenlang festgehalten.

Dutzende Demonstrationsteilnehmer*innen wurden erheblich verletzt.

Nichts aber auch gar nichts daran, ist gut oder zu verteidigen. Nicht die Gewalt, nicht die Verbote und nicht das polizeiliche Handeln.

Der Staat hat eine Machtprobe gezeigt um den Innenminister im folgenden die Möglichkeit zu geben von einem Gesamtkonzept gegen „Linksextremismus“ zu reden.

Dutzende junge Menschen wurden traumatisiert und die Eltern politisiert.

Ich habe kein Vertrauen mehr.

Im Zweifel für die Freiheit – die autoritäre Versuchung

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Leipzig hat am Wochenende ein Demonstrationsverbot verhangen. Dieses Verbot bezieht sich maßgeblich darauf, dass bei den Versammlungen mit einer kollektiven Unfriedlichkeit gerechnet werden muss und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen.

Unter dem Motto „Alle zusammen“ hatten linke bis linksradikale Gruppen zu mehreren Versammlungen aufgerufen. Die Polizei hatte bereits im Vorfeld ein Verbot gefordert. Der Verfassungsschutz hatte in seiner Gefahrenprognose ebenfalls vor „Linksextremismus“ gewarnt.

Das Verwaltungsgericht hat dieses Verbot im Eilverfahren gehalten. Zusätzlich dazu hat die Polizei einen Kontrollbereich eingerichtet, der von Osten über den Süden bis nach Westen sämtliche Innenstadtnahe Stadtbezirke der Stadt erfasst.

Ein einmaliger Vorgang, der die restiktive Auslegung der Versammlungsfreiheit einmal mehr untermauert.

Das Versammlungsgrundrecht ist essentiell für die Demokratie. Ein Verbot eine absolute Ausnahme.

Tatsächlich ist es das erste mal, dass die Stadt ein derart umfassendes Verbot erlassen hat und das Verwaltungsgericht dieses Verbot auch hält.

Das bisherige Versammlungsverbot welches 2011 erlassen wurde, hatte sich auf die Rechtsfigur des polizeilichen Notstandes gestützt und damit argumentiert, dass aufgrund der angezeigten Versammlungslage nicht ausreichend viele Polizeibeamte zur Verfügung stehen.

Auch die Verbote im Frühjahr bei den sog. Corona Proteste waren im Hinblick auf das Infektionsgeschehen verboten worden und damit im Rahmen einer nicht vergleichbaren Sondersitutation.

Dennoch wird eine Tendenz deutlich. Die Tendenz bei der Abwägung zwischen Sicherheit für die Allgemeinheit und Grundrecht des Einzelnen im Zweifel der Sicherheit einen höhere Stellung einzuräumen.

Im Hinblick auf prognostizierte Ausschreitungen mag das auf den ersten Blick überzeugen.

Aber es bleibt verstörend. Der Wunsch nach Sicherheit, in einer Gesellschaft, die nie sicher sein kann, gefährdet die Freiheit und mit ihr den demokratischen Rechtsstaat.

Wir nehmen immer weitere Einschränkungen der Grundrechte in Kauf und billigen sie sogar. In der Vorstellung einer dadurch zu gewinnenden Sicherheit tendieren viele Menschen immer mehr zu einem autoritären Staatsverständnis und damit einen Staat der vorsorglich Gefahren auch durch schwerste Grundrechtseingriffe unterbindet.

In der Abwägung ob man die Gefahr akzeptieren muss, ob eine Mülltonne brennt oder nicht oder der Versammlungsfreiheit sollte in einem freiheitlichen Rechtsstaat, die Entscheidung immer für den Rechtsstaat ausgehen.

Stattdessen werden im Polizeirecht immer weitere Eingriffsbefugnisse geschaffen, Gerichte argumentieren restriktiver und Bürger fordern weitere Einschränkungen um die Unsicherheit des Lebens und damit die Gefahren nicht zu ertragen.

Auf diese Art und Weise sind wir aber dabei die Freiheit, die Grundlage dieser Demokratie abzuschaffen. Ohne grundrechtliche Freiheit, keine Demokratie, kein Rechtsstaat.

Wir befinden uns auf einem gefährlichen Weg.

Alle zusammen!- Das Verbot der Versammlung oder die Bankrotterklärung des freiheitlichen Rechtsstaates

Alle zusammen!

Die Stadt Leipzig hat die Versammlungen am kommenden Sonnabend in Leipzig verboten. Drei Versammlungen sollten sich zu einer vereinen und gemeinsam in einem Aufzug laufen.

Das Verbot der Versammlung bei dem die Polizei mit einer vierstelligen Teilnehmerzahl aus der linken Szene bundesweit gerechnet hatte, wird mit der Gefahrenprognose von Polizei und Verfassungsschutz begründet.

Tatsächlich gibt es im Vorfeld der Versammlungen einige Aufrufe in den sozialen Netzwerken, die einen unfriedlichen Verlauf befürchten lassen.

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch die Versammlung am 18.09.2021 insgesamt nicht die Schwelle zur Unfriedlichkeit überschritten hat. Einzelne Aufrufe rechtfertigen kein Verbot.

Versammlungen und Aufzüge sind die Ausübung eines Grundrechtes und unerlässliche Voraussetzung einer Demokratie, ebenso wie das Recht auf Meinungsfreiheit.

Und zwar unabhängig davon, ob man das Anliegen der Versammlung teilen kann oder meint es sei gut und richtig oder falsch oder sogar gefährlich.
Dies spielt keine Rolle.

Auch unbequeme Meinungen muss die Demokratie aushalten, die ihren Schutz auch ihren Gegnern zur Verfügung stellt.

Versammlungen können aber nach den Umständen zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von Auflagen abhängig gemacht werden. Im absoluten Ausnahmefall kommt auch ein Verbot in Betracht. Das allerdings nur dann, wenn mildere Mittel also Auflagen nicht durchgreifen.

Es gibt daher auch kaum Versammlungsverbote. Aus gutem Grund.

Wenn nun eine Versammlung verboten wird, wirft dies eine Reihe von Fragen auf und selbst wenn das Verbot gerichtlich halten würden, was bezweifelt werden darf, ist das, auch wenn man dem Anliegen ablehnend gegenübersteht, kein Grund zum Feiern.

Das der Staat, in diesem Fall die Exekutive, die Ausübung eines Grundrechts untersagt, welches für die Demokratie unerlässlich ist, muss jedem Demokraten Kopf zerbrechen bereiten.

Bei den Erkenntnissen vom Verfassungsschutz ist zudem darauf hinzuweisen, dass es sich um eine demokratiefremde Einrichtung handelt. Der Staat, der seine Legitimation durch den Souverän – den Bürger; erhält hat diesen nicht zu überwachen. Insbesondere auch deswegen da der VS eine chronisch unzuverlässig Behörde ist, die eine politische Führung hat.

Das der VS insbesondere in Sachsen immer wieder versucht hat die „linke Szene“ zu kriminalisieren und den Begriff des „Linksextremismus“ exzessiv weit auslegt, dürfte bekannt sein. Bereits die Teilnahme an Klimaprotesten mit der Parole „System change Not climate change“, reicht in Sachsen aus um den Verdacht von „linksextremismus“ ausgesetzt zu sein.

Auch das sich die Polizei, was sie darf, im Vorfeld zur Versammlung äußert und mehr Verbote fordert, kann nicht gefallen.

Egal, wie es am Ende ausgeht. Es ist kein guter Tag für die Grundrechte und den freiheitlichen Rechtsstaat.

Privilegien für Geimpfte?

Immer wieder flammt die Diskussion auf, ob es nicht für Geimpfte „Privilegien“ geben sollte. Dahinter verbirgt sich der Wunsch zeitnah in eine Normalität zurückzufinden. Allein diese Debatte ist, so nachvollziehbar sie erscheinen mag, falsch aufgezogen. Es geht nicht um Privilegien. Daher ein paar Anmerkungen.

Weiterlesen „Privilegien für Geimpfte?“

Corona Demos, Reichsbürger und die Zerstörung der Debatte.

Überall formieren sich die „Hygiene-Demos“ oder Corona Demos und absorbieren Aufmerksamkeit. Ein Fehler oder besser gesagt viele.

Vorgeblich will man über die Einschränkungen diskutieren, tatsächlich offenbaren sich an vielen Stellen Verschwörungsmythen, Reichsbürger und Neurechte. Als antiautoritäre Revolte getarnt, im Wahn bereits in einer Diktatur zu sein, was nicht zufällig auch dem Narrativ von Bewegungen wie Pegida gleicht, begibt man sich auf die Straße.

In den Gruppen dominieren inzwischen klassische Reichsbürger und neurechte Thesen. Die Geltung des Grundgesetzes wird negiert, ein Friedensvertrag für Deutschland wird gefordert und ähnliches. Es war daher nicht zufällig, dass gestern auch in Leipzig bei einer dieser Zusammenkünfte die Fahnen des Kaiserreichs geschwenkt wurden. Mit Macht werden antisemitische Chiffren verteilt und längst ist auch wieder Rassismus gang und gebe.

Kritiker dieser Gruppen werden als Spalter denunziert, als „Systemhuren“ beleidigt und zum Teil werden Sie offen zur Fahndung ausgeschrieben. Ein gefährliches Millieu, dass sich auf der Straße zeigt.

Aber auch mehrere tausend Menschen, die sich diesen Bewegungen anschließen haben kein Recht auf eine Diskurshoheit. Es ist eine radikale, lautstarke Minderheit, die gerade Aufmerksamkeit absorbiert.

Sie suchen diese Aufmerksamkeit, weil Sie danach drängen, ihren Wahrheitsanspruch zu verbreiten. Selbstreflektion ist Fehlanzeige.

Es ist auch ein Fehler unserer Gesellschaft, dass sich unsere Aufmerksamkeit und Aufregung immer auf „Extreme“ fokussiert.

Denn dadurch besteht auch die Gefahr, dass die notwendige Debatte über Grundrechte, über Einschränkungen kontaminiert wird.

Bestand Anfangs die Gefahr, dass diejenigen, die die angeordneten Maßnahmen in Frage stellten, schnell als zynisch oder rücksichtslos galten, müssen Sie sich nun dagegen zur Wehr setzen eins zu sein mit den Verschwörungsideologen und Neurechten, die ebenfalls mit Verweis auf das Grundgesetz Raum beanspruchen.

Dabei zeigt sich auch das Dilemma unserer Gesellschaft, dass der Raum für den demokratischen Streit schmal geworden ist und Alarmismus und Totschlagargumente dominieren.

Wenn wir uns als Gesellschaft von etwas befreien müssen, dann zuallererst von der Aufgeregtheit von der Gier nach Aufmerksamkeit, die wir mit Voyeurismus all zu oft fördern.

im Umgang mit den Hygienedemos, die in ihrer wahngetriebenen Rücksichtslosigkeit, eher Infektionsherde sind, empfiehlt sich mehr Ruhe.

Es gilt deutlich zu machen, wo die Grenzen eines demokratischen Streites sind, Antisemitismus und Rassismus deutlich zu decodieren, zu benennen und zu ächten.

Aber es ist eben auch nötig den Diskurs über die Einschränkungen zu führen und dabei die „leisen, nachdenklichen“ Stimmen zu stärken, die nicht generell alles in Frage stellen aber auf Problemstellen hinweisen.

Auch und gerade in Zeiten der Krise braucht es einen Diskurs, braucht es den Austausch und das Hinterfragen.

Das gilt es immer wieder zu verdeutlichen. Für eine aufgeklärte, solidarische Gesellschaft…

Das Widerstandsrecht – Art. 20 IV GG.

Seit geraumer Zeit ist es Mode sich auf das Grundgesetz zu berufen. Beliebtester Anknüpfungspunkt ist dabei die vielzitierte und noch öfter falsch verstandene Meinungsfreiheit oder auch das Widerstandsrecht.

In neuerer Zeit ist insbesondere das Widerstandsrecht der Anknüpfungspunkt für diejenigen, die meinen das man quasi schon im Totalitarismus angekommen sei.

Kaum verwunderlich ist daher, dass insbesondere Verschwörungstheoretiker, Impfgegner, Querfrontler und rechte Gruppen in der bisherigen Maßnahmen vor allen Dingen eine „Corona- Diktatur“ sehen oder sehen wollen.

Unter diesem „Wahn“ leiden auch diejenigen Meinungsäußerungen, die sich ernsthaft und kritisch mit dem Thema auseinandersetzen.

Vorab die Warnung:

Personen, die meinen, dass der Konsum von Youtube Videos oder die Aufnahme von Texten, ein Medizinstudium ersetzen und deswegen gerne Texte oder Videos aus zweifelhaften Quellen teilen und von dem Meinungsdiktat der „etablierten Medien“, gern ergänzt durch das Wort „System“ raunen, sollten hier abbrechen diesen Text zu lesen. Bringt euch eh nichts.

Im Übrigen ist es auch nicht rebellisch mit einem Grundgesetz rumzulaufen, wenn man durch eigene Meinungsäußerungen fortwährend kundgibt, dass man es nicht verstanden hat. Zum Grundgesetz gehört nämlich ein bisschen mehr.

Weswegen der Verweis auf das sogenannte Widerstandsrecht auch völliger Humbug ist.

Das in Art. 20 IV GG eingefügte Widerstandsrecht ist faktisch nur symbolischer Natur und streng vom „zivilen Ungehorsam“, der auf einer Gewissensentscheidung beruht zu trennen.

Art. 20 IV GG vermag daher schon nicht, den ebenso oft zitierten, wie falsch verstandenen zivilen Ungehorsam zu rechtfertigen.

Voraussetzung der Anwendung von Art. 20 IV GG wäre, dass die verfassungsmäßige Ordnung durch einen Ausfall oder die Beseitigung eines ihrer Kernelemente in Gefahr gerät. Dabei gilt das Subsidiaritätsprinzip, was bedeutet das andere Abilfe vorrangig ist.

Tatsächlich erleben wir gerade das demokratische Verfassungsorgane, im Sinne parlamentarischer Gesetze, überprüfbar durch Gerichte, handeln.

Und nein, wir leben nicht in einer Situation, in der die verfassungsmäßige Ordnung in Gefahr ist.

Wir leben in einer seltsamen Zeit und tatsächlich haben wir derzeit Eingriffe in Grundrechte, die bislang keinen Vergleich in der Geschichte kennen.

Als mündiger Bürger, sollte man daher kritisch bleiben, diskutieren, hinterfragen.

Dazu gehört bei der Rezeption von Quellen auch eine Quellenkritik.

Und nein, es ist nicht rebellisch auf die Maskenpflicht zu verzichten sondern zeigt nur den ausgeprägten Egoismus des Einzelnen, der im Regelfall antisozial ist.

Der Rechtsstaat selber bietet ausreichend Möglichkeiten im Sinne der „checks and balances“, etwa durch Klagen, Petitionen, Wahlen etc.

Rebellisch ist man nicht, indem man rumläuft und mit dem Grundgesetz wedelt und ruft „ich glaube das nicht und weiß alles besser“ sondern indem man sich mit der Problematik auseinandersetzt, diskutiert, nachdenkt, wo die Maßnahmen tatsächlich überzogen sind und diese dann ggf. auch gerichtlich überprüfen lässt.

Und ja, in einem demokratischen Rechtsstaat braucht es eine demokratische Auseinandersetzung, die Diskussion um und über Maßnahmen.

Und nein, dass hysterische Behaupten, dass man im Totalitarismus sei, hat damit nichts zu tun. Gar nichts.

Warum wir reden müssen.

Wir müssen stärker als bislang über diese „neue Normalität“ reden, diskutieren uns austauschen.

Bislang dominieren die Kontrapositionen des „Dafür“ und „Dagegen“. Wer Kritik an Maßnahmen äußert gerät schnell in Gefahr aus dem Diskurs ausgeschlossen zu werden.

Weiterlesen „Warum wir reden müssen.“

Anmerkung zur Situation: Coronakrise, 30.03.2020

1) Die meisten Menschen sind keine Virologen oder haben die notwendigen medizinischen Kenntnisse um das aktuelle Geschehen einzuordnen. Es ist daher verständlich, dass man versucht sich an Zahlen festzuhalten oder selber zu recherchieren. Der Versuchung zu meinen, dass man sich mit wenigen Youtube Videos oder Wikipedia Beiträgen eine fachkundige Meinung erlesen kann, sollte man aber tunlichst widerstehen.

Weiterlesen „Anmerkung zur Situation: Coronakrise, 30.03.2020“