Vorab: Dieses Protokoll fußt auf den Aussagen einer Vielzahl von Betroffenen.
Am 03.06. sollte in Leipzig eine Demonstration im Kontext des sog. Antifa Ost Verfahrens stattfinden. Diese Demonstration wurde am Donnerstag, den 01.06. verboten. Bereits ab dem 31.05. galt eine Allgemeinverfügung, die jegliche Demonstrationen, die nicht bis zum 31.05. 23:59 Uhr angemeldet waren zu untersagen.
Am 31.05. hatte der „Say it loud“ eV eine Versammlung für die Grundrechte angemeldet als Folge der Allgemeinverfügung, die nicht verboten wurde und entsprechend beauflagt war. Diese Versammlung sollte am 03.06. um 16:30 Uhr beginnen.
Unmittelbar vorher hatte das Bundesverfassungsgericht in letzter Instanz das Verbot der sogenannten TagX Demo im Eilverfahren bestätigt.
Nachdem ab 17 Uhr immer mehr Menschen zu angemeldeten Demonstration des „Say it loud“ strömten wurde nachträglich der Aufzug untersagt und der Platz von Polizeikräften umschlossen, so dass nur noch ein abfliessen nach Süden möglich war.
Da in mehreren Verhandlungen mit Behörde und Polizei keine Lösung möglich war wurde ein Daily Plenum einberufen um mit Vertretern der anwesenden Gruppen eine Lösung zu finden. Als etwa 30 Personen eingetroffen waren, gab es unmittelbar daneben eine Eskalation. Rund ein dutzend Personen rannte aus der Demo kommend Richtung Osten und bewarf dabei anwesende Polizeikräfte mit Böllern.
Die Situation wurde unübersichtlich. Auch aus dem hinteren Teil der Versammlung kam es zum Bewurf mit Steinen und Flaschen.
In der Folge umschloss die Polizei den gesamten Heinrich Schütz Platz und damit annährend 1000 Personen und zwar unterschiedslos. Darunter auch völlig Unbeteiligte.
Diesen Personen wurde unisono der Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs gemacht und die Daten aufgenommen, sowie die Handys eingesammelt.
Die Maßnahmen zogen sich vom 03.06. gegen 18:10 Uhr bis zum 04.06. gegen 6 Uhr hin. Einzelne Personen verbrachten bis zu 11 Stunden in einem Kessel, der sehr eng von der Polizei umschlossen war.
In dieser Zeit wurde eine Grundversorgung mit Nahrungsmitteln nicht sichergestellt. Einzelne Getränke und Nahrungsmittel konnten nur durch die Demosanitäter an die Umschlossenen gegeben werden. Sanitäre Einrichtungen oder die Möglichkeit zum Toilettengang gab es nicht.
Daraufhin wurde ein Busch notdürftig abgehangen und als Notklo genutzt.
Gleichzeitig war der Platz so beengt, dass die meisten Umschlossenen stehen mussten und sich nicht hinsetzen konnten.
Mehrere Personen schildern übereinstimmend, dass die Polizeibeamten immer wieder Druck auf den Kessel gemacht hätten und reingestürmt wären, ohne erkennbaren Grund und dabei gezielt Richtung Kniekehle bzw. Knie getreten und gezielt auf Gesichtshöhe geschlagen hätten.
In der Folge sind mehrere Personen erheblich verletzt wurden.
Ein Jugendlicher schildert, dass die Polizei beim Vorrücken, seinen neben ihn postierten Freund zunächst mit Faustschlägen traktierte, so dass er ohnmächtig wurde und als er am Boden lag weitere Tritte abbekam. Einen davon gegen den Kopf.
Der Jugendliche wurde mit einem Jochbeinbruch und Gehirnerschütterung nach 2 Stunden ins Krankenhaus geliefert. Obwohl die Eltern vor Ort waren, blieben auch die Polizeibeamten anwesend.
Einem anderen Jugendlichen wurde die Hand gebrochen. Mehrere Personen im Kessel wurden ohnmächtig, ohne das es adäquate Versorgung oder Behandlung gab.
Eltern berichten, dass sie aus dem Kessel von ihren jugendlichen Kindern ( unter 18 Jahre) angerufen wurden. Die Eltern schildern weiter, dass sie vor Ort keine Informationen bekamen. Trotz Anwesenheit der Eltern wurden nach der Identitätsfeststellung, die Kinder nicht an ihre Eltern übergeben. Fotoaufnahmen, zum Teil Fingerabdrücke, erfolgten ohne die anwesenden Eltern zu informieren.
Einige Eltern fuhren in der Nacht bis zur Dimitroffwache. Auch dort bekamen sie keine Informationen zum Verbleib ihrer Kinder. Anwesende Beamte meinten, dass erst der Haftrichter entscheiden müsse. Bei Minderjährigen gibt es keine (!) U-Haft.
Eine Mutter schildert, dass sie an diesem Tag mit ihren 6 und 13 jährigen Kindern auf der Karl- Liebknecht Str. spazieren war und sie durch den Tumult durch Zufall in den Kessel geriet. Durch anwesende Polizeibeamte wurde ihr der Vorwurf gemacht, dass sie unverantwortlich handle.
Mehrere junge Frauen berichten, dass bei Ihnen eine Leibesvisitation durchgeführt wurde und dabei gezielt die Brüste abgetastet wurden und mit der Taschenlampe auch in die Unterhose geleuchtet wurde.
…
In der Erwartung und herbeireden einer ähnlichen Lage wie in Hamburg zu G20 und der Annahme, dass tausende Autonome in Leipzig einfallen würden, wurden 3000 Beamte und 10 Wasserwerfer aus 12 Bundesländern zusammengezogen. Viele Beamte gingen offenbar davon aus, dass sie ein Demonstrationsverbot durchsetzen sollten, obwohl die tatsächliche Demonstration nicht verboten war.
Mehrere Beamte äußerten in der Nacht ihr Unverständnis über das Vorgehen. Zitat: „Bei uns in NRW gibt es das nicht“.
Es war nie Ziel der Polizei, dass diese Versammlung laufen konnten. Vielmehr zeigt sich, dass es das Ziel war möglichst viele Personen für lange Zeit festzuhalten, unabhängig der Rechtswidrigkeit, umso zu verhindern, dass an anderer Stelle etwas geschehen kann.
Dass dabei fast ausschließlich völlig friedliche Menschen getroffen wurden, war egal. Die Gruppe aus der Steine und Flaschen flogen war zum Zeitpunkt der Umschließung bereits Richtung Süden verschwunden.
Ebenfalls waren dutzende Zivilbeamte eingesetzt, ohne das dies angezeigt wurde. Die Vermutung, dass diese als agent provocateurs arbeiteten und die Auseinandersetzung mindestens forcierten liegt nahe.
Fazit. Der Kessel von Leipzig, die Umschließung von hunderten Personen über Stunden ist der Offenbarungseid des Rechtsstaates. Hunderte von Menschen wurden unter menschenunwürdigen Zuständen stundenlang festgehalten.
Dutzende Demonstrationsteilnehmer*innen wurden erheblich verletzt.
Nichts aber auch gar nichts daran, ist gut oder zu verteidigen. Nicht die Gewalt, nicht die Verbote und nicht das polizeiliche Handeln.
Der Staat hat eine Machtprobe gezeigt um den Innenminister im folgenden die Möglichkeit zu geben von einem Gesamtkonzept gegen „Linksextremismus“ zu reden.
Dutzende junge Menschen wurden traumatisiert und die Eltern politisiert.
Ich habe kein Vertrauen mehr.