Verfassungsschutz Sachsen – Mythos „linksextreme Bands“ oder wie man sich in Sachsen auf schwarz-blau vorbereitet.

Der Präsident des Verfassungsschutz Sachsen hatte zu einem Pressegespräch geladen. Die Merkwürdigkeiten des Inhalts, die Aussagen und Hintergründe sind für das Verstehen der Behörde lohnend. Der folgende Text stützt sich im wesentlichen auch auf kleine Anfragen des geschätzten Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann.
Inhaltlich hat der Präsident des VS Sachsen erzählt, dass die AfD zwar ein Verdachtsfall sei aber Erkenntnisse erst nach der Landtagswahl veröffentlicht werden würden. Weiterhin taucht als neuestes Beobachtungsobjekt die „linksextremistische Musikszene“ mit 11 Gruppen und einem Konzertveranstalter auf.
Das wirft Fragen auf.


Beobachtungen:
Zunächst mal ist zu erwähnen, dass nicht in allen Bundesländern „linksextreme Bands“ beobachtet werden. In Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg etwa werden keine solchen Bands beobachtet. Allein in Sachsen werden damit mehr Bands und Gruppen beobachtet als im restlichen Bundesgebiet. Man kann auch darüber nachdenken, wie es zu der Auswahl der Gruppen kommt.

Auffällig ist, dass ein Großteil der Gruppen auf einem RASH Sampler versammelt waren. Eine andere Gemeinsamkeit liegt darin, dass die aufgeführte Band „Dr. Ulrich Undeutsch“ als eine der wenigen ihre Konzerte auflistet und mit wem man zusammengespielt hat. Die Vermutung ist daher naheliegend, dass der VS zum einen auf eine RASH Kompilation gestoßen ist und zum anderen Bands aufgenommen hat, die zusammen mit bereits beobachteten Bands aufgetreten sind.
Die Folge ist, mehrfach dokumentiert, dass etwa die Bauaufsichtsämter Veranstaltungsstätten vor dem Auftritt von Bands kontaktieren um Auflagen überprüfen und weitere Auflagen auszusprechen. Auch ein erhöhtes Polizeiaufkommen ist anders als bei rechten Konzerten die Folge.

Ein Konzert etwa von den besagten „Dr. Ulrich Undeutsch“ im Erzgebirgskreis vor 50 Personen, wurde von mehr als 20 Polizeibeamten, 4 davon zivil, überwacht – in einem Dorf mit 1000 Einwohner.

rinks gleich lechts
Interessant ist weiterhin, dass der Präsident im zitierten Interview auch die Zahlen von rechten und linken Konzertveranstaltungen gegenüberstellt. In Sachsen erfolgt die konsequente Gleichsetzung von links und rechts.

Das dabei die Zielrichtung außer Acht gelassen wird und auch die Anzahl von Straftaten relativiert wird, versteht sich von selbst. Wenn der Präsident des VS sagt bei dem größten rechten Musikfestival in Sachsen in Ostritz seien kaum einheimische Rechte dagewesen, sondern vornehmlich Fremde einerseits und andererseits 11 „linksextreme Bands“ und 40 Konzerte andererseits, erscheint die „rechte“ Gefahr in Sachsen in einem anderen Licht. Während sich aber radikal linkes Handeln an der Gleichheit aller Menschen ausrichtet, ist das Handeln der radikal Rechten per se menschenfeindlich mithin auf gezielte Angriffe auf Gruppen und Minderheiten ausgelegt. Wer das nicht glauben mag, beschäftige sich mit der Blut und Boden Ideologie und dem Charakter der Volksgemeinschaft, die derzeit auch in den Reden von Höcke immer wieder auftaucht eine Rolle spielt. Dabei wird auf den Volkskörper, Ausgangspunkt aller Kultur abgestellt, der erhalten werden solle. Zu diesem Volkskörper gehören nur die, die reinem Blutes sind. Im Kern ist das was Höcke und mit ihm Gauland oder auch Kubitschek predigen, nichts anderes als knallharter völkischer Nationalismus oder eben auch der deutsche Faschismus aka Nationalsozialismus.
Nicht ganz zufällig gibt es daher mehr als 300 Tote aufgrund rechter Gewalt in Deutschland seit 1990 und 3 Tote aufgrund linker Gewalt. Die Extremismustheorie, deren Apologeten wie Jesse, Patzelt und andere vornehmlich in Sachsen zu finden sind, negieren das Entstehen von Einstellungsmustern der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft, setzen rechts und links gleich und sichern die Deutungshoheit der herrschenden CDU. Diese bestimmt mit Hilfe des Verfassungsschutzes, als politisches Instrument, wer noch am Diskurs teilnehmen darf und wer nicht. Während gerade die CDU sich extrem scharf nach links abgrenzt hat man solche Abgrenzungsschwierigkeiten nach rechts übrigens nicht. Die Angst vor „Linksextremismus“ und die Notwendigkeit der Abgrenzung macht sich dabei zunehmend in allen Parteien bemerkbar. Auch Vertreter der GRÜNEN und LINKEN in Sachsen sehen mitunter die Notwendigkeit sich etwa von vermeintlichen allzu „linksextremistischen“ Gruppen und Tendenzen abzugrenzen. um nicht selber in Verdacht zu geraten „linksextremistisch“ zu sein und den Anschluss an das rechtstickende bürgerliche Milieu zu verlieren. Das dabei die Diskursverschiebung nach rechts unterstützt wird, wollen Vertreter genannter Parteien dann allerdings kaum wahrhaben. Von der SPD als Regierungspartei muss man in diesem Kontext nicht reden.
„Linksextreme Kunstfreiheit“
Dass im restlichen Bundesgebiet kaum „linksextreme Bands“ beobachtet werden, hat einen Grund – das Grundgesetz. Es geht hier im speziellen um die Kunstfreiheit aus Art. 5 III GG. Musik ist ein Mittel um Emotionen zu transportieren. Texte sind deshalb nicht selten metaphorisch und überspitzt. In Sachsen reicht das aus um vom VS beobachtet zu werden. Denn, was als Metapher daherkommt, wird hier als bare Münze gelesen. Textstücke wie bei „Feine, Sahne Fischfilet“ werden aus dem Zusammenhang gerissen und als Aufruf zur Tat hingestellt. Selbiges Muster erfolgt bei der deutlich satirisch ausgerichteten und vom VS beobachteten Band „East German Beauties“.
Das maßgebliche Urteil zur Frage der Kunstfreiheit stammt vom Bundesverfassungsgericht zur Band „Slime“ und deren Lied „Deutschland, muss sterben“.

Das BVerfG schreibt in seinem Urteil:
„In seinem Urteil hebt das Gericht undifferenziert auf den „zu Gehör gebrachten Wortlaut des inkriminierten Liedes“ ab, „welcher unmissverständlich zum Ausdruck“ bringe, „dass sich eine Besserung der Lage für die Staatsbürger nur durch eine Vernichtung des Staatssystems der Bundesrepublik Deutschland erreichen lassen soll“. Diese Interpretation wird dem satirischen, verfremdenden und metaphorischen Gehalt des Werks jedoch nicht gerecht. Bei dem Lied „Deutschland muss sterben“ handelt es sich erkennbar um eine plakative, drastische Kritik mit satirischem Einschlag an gesellschaftlichen und politischen Zuständen in Deutschland. Charakteristisches Merkmal dieser Kunstform ist, dass der Aussagekern mit symbolhaft überfrachteten Bildern verbrämt und in karikaturhaft überzeichneten Ausdrücken umschrieben wird; typisch sind auch Anspielungen auf zeitgeschichtliche Vorgänge und literarische Reminiszenzen. (vgl. BVerfGE 75, 369 <377 f.>). “

Dieser Song wird übrigens in Sachsen von der AfD ebenfalls als linksextremistisch gewertet. Eine Wertung, die der VS inzwischen ungeprüft übernimmt und sich mit Wesensgehalten gleich gar nicht aufhält. Betrachtet man die Begründung zur Beobachtung, so wird deutlich, dass keine einzige Beurteilung einer rechtlichen Überprüfung auch nur im entferntesten standhält. Abgestellt wird zumeist darauf, dass die Bands „antifaschistisch“ ausgerichtet sind und sich mit Themen wie „Antifaschismus“, Hegemoniebestrebungen, Kampf um Freiräume und weiteren „linken Themen“ beschäftigen. „Linksextremismus“ liegt nach Lesart des VS bereits dann vor, wer Kapitalismuskritik äußert, vor Faschismus warnt oder Gentrifizierung kritisiert.
Die Medien.
Einigermaßen schockiert darf man darüber sein, dass sowohl MDR als auch LVZ die Behauptungen des VS ungeprüft und ohne Einordnung übernehmen. Während bei Aussagen über rechte Veranstaltungen der VS immer mit angefragt wird, erfolgt gerade beim Thema „Linksextremismus“ keine Gegenüberstellung mit Fachleuten, etwa vom Kulturbüro oder NDK. Die Behauptungen des VS werden als unumstößliche Tatsache hingestellt. Eine politisch arbeitende, demokratiefremde Behörde, die in der Vergangenheit ihr Versagen mehrfach dokumentiert hat (remember NSU, remember Heidenau und Freital, remember Überfall auf Connewitz) wird hier zum politischen Akteur.
Warum tun die das?
Weil sie es können. Es ist offenkundig, dass sich der Verfassungsschutz in Sachsen  gezielt darauf vorbereitet, dass es einen schwarz- blauen Regierungswechsel geben könnte. Entsprechend wird „Linksextremismus“ als neue Gefahr aufgebaut während „Rechtsextremismus“ weiterhin gezielt relativiert wird. „Rechtsextremistisch“ in Sachsen sind nach Lesart des VS nur die neonazistischen Parteien „3. Weg “ und „NPD“, andere Gruppen bleiben auch weiterhin unbeobachtet.
Höcke hatte letzte Woche Mittwoch übrigens auf dem Treffen der neonazistischen AFD Plattform „Der Flügel“ die Mitarbeiter des VS dazu aufgerufen den Dienst zu verweigern und die AfD nicht zu observieren. In Sachsen braucht es diese Aufforderung ohnehin nicht. Eine Behörde, in der bereits jetzt AfD Mitglieder arbeiten und Berichte schreiben, ein LKA, in dessen Reihen extrem rechte sitzen wird man nicht dazu erst auffordern müssen. Im Zweifelsfall hat das vermeintliche Versagen der Sicherheitsbehörden Strategie und Struktur.
Das Bundesverfassungsgericht hatte übrigens das Lied von Slime in eine Reihe mit der „kaum weniger radikalen Kritik“ an den Zuständen in Deutschland von Heinrich Heine im Lied der „schlesischen Weber“ verglichen.

Man mag erschauern wenn man daran denkt, wohin das alles führen könnte.

Autor: juergenkasek

Lebe lieber ungewöhnlich. Rechtsanwalt, Politiker, Aktivist, Umweltschützer, Blogger, Sportler

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