So schön und so vorbei. Abschied Teil 2.

Ein letztes mal tauchen wir ein in die Nacht, werden die eine Welt hinter uns lassen und die andere betreten.

Sonnabendnacht, der zweite Tag des Endes. Eines Endes für das So&So, für dieses Kleinod der Leipziger Clubszene vielleicht zu vergleichen mit dem Sisyphos Berlin.
Wir haben das Ende verschoben, hinausgezögert, aufhalten konnten wir es nicht. Die Geschichte nimmt ihren Lauf und da wo für uns das Paradies unserer Träume war, wird bald ein neues Viertel stehen.

Es war auch ein bisschen die Geschichte von David gegen Goliath. Dort ein paar Verrückte, die ihre Träume realisieren und viel riskieren und auf der anderen Seite ein Megakonzern, dessen Chef darüber klagt, dass er 25 Mio zum Fenster raushaut und mehr zur Tür wieder rein kommt. Im Sommer 2018 sollte Schluß sein und wir haben ein halbes Jahr mehr gewonnen. Ein halbes Jahr. Ein gutes halbes Jahr.

Am Ende wird Planungsfläche geschaffen für neue Wohnungen. Wohnungen, die am Ende mehr als 9 € kalt kosten werden. Wohnungen, die sich nicht alle leisten können. Ein bisschen was verschwindet von Leipzig. Von einem Leipzig, dass eben mehr ist als schöne neue Fassaden. Ein Leipzig, dass immer auch Traum und Alptraum zu gleich war. Und jetzt muss alles immer ordentlicher, sicherer, sauberer werden und gemeint ist vor allen Dingen teurer.

Die Clubs ziehen junge Menschen an, die auch deswegen nach Leipzig kommen, und werden als erstes weichen. Der Lauf der Dinge.
Und überall wird über das Clubsterben geklagt von Hamburg über Berlin nach Leipzig. Die Räume für Kultur werden enger und enger, wie eine Schlinge, die sich um den Hals zieht. Erinnert ihr auch an die Bar25 in Berlin? Wo selbst Morgens um 6 noch eine Schlange stand und Menschen Einlass begehrten und an den Kampf gegen Mediaspree? Verloren und doch gewonnen. Ein bisschen was stirbt immer. In der Realität verliert David eben meistens doch.

Nein, das So&So wird wahrscheinlich nicht in die Geschichte der Stadt eingehen. Zu unbedeutend für das Ganze aber für uns, für uns die wir da waren, war es mehr, war es ein klein bisschen Glück in dieser wilden Welt.

Als wir ankommen, Sonnabendnacht, stehen mehrere hundert Menschen davor. Menschen, wie ein froher Trauerzug, die gekommen sind um Abschied zu nehmen und ein letztes mal in die wunderbare Welt einzutauchen. In den Wandschrank, der so aussieht wie er heißt. Diese wunderbare Enge, deren eine Wand gestaltet ist wie ein gigantisches Regal voller Bücher und Platten. Manifeste Erinnerungen und überall der schwere Rauch und das Lachen und die Freude der Menschen und überall die Musik. Eine Welt aus Beats und Tönen. Ein Rausch von Farben und Musik und Glück. Von Freitag bis Montag früh werden Menschen kommen und selbst tagsüber ist Einlassstopp. Menschen, die gekommen sind um zu kondolieren, Danke zu sagen und dieses Kleinod ein letztes mal zu sehen um später sagen zu können: ich war dabei.

Fremde Menschen liegen sich in den Armen, feiern zusammen. Völlig fremde Menschen, für die es egal ist, wo jemand herkommt, wie jemand aussieht, wenn jemanden liebt, die alle zusammen in Respekt voreinander im miteinander die Zeit vergessen. Die Musik führt Menschen zusammen.

Livebands treten auf, Performance Künstler, die Musik und DJs wechseln. Und aus der Nacht wird ein Tag und aus dem Tag eine Nacht und wieder Tag und hier ist alles egal.

Ein letztes mal, in den vielen versteckten Nischen die Nacht auskosten, den Klang wirken lassen, die Zeit vergessen und tanzen.

Ich sehe ein letztes Mal die Crew, Johannes der gefasst wirkt, sehe den Glanz in ihren Gesichtern und ein bisschen Trauer – es ist das letzte Mal. Und ich darf voller Demut sagen, ich war dabei und habe mitgewirkt, dass es ein bisschen länger bleiben kann. Wenigstens ein bisschen.

Irgendwann wird es Zeit zu gehen. Die Jacke zu greifen und in den Morgen herauszutreten. Immer noch einige Menschen vor der Tür, die kondolieren wollen und warten.

Wir laufen vorbei an den alten Bahnanlagen und sehen wie nah sich die Bagger schon herangefressen haben und unser Paradies umzingelt ist. Die Schritte sind schwer, die Augen müde und doch sind wir glücklich noch einmal da gewesen zu sein. Hätten wir es nicht getan, wir hättes es uns nicht verzeihen können.

Ich denke an das IfZ und die Distillery, an das Elli und an das Mjut. Sicher ist hier nichts. Morgen schon kann alles anders aussehen und während ich jetzt von dem einen Abschied nehme, werde ich Morgen wieder kämpfen.

Was bleibt ist ein Schatz. Sind Erinnerungen, die uns niemand nehmen kann. Erinnerungen, die es wert waren, dafür zu leben – „und im Tanz da sind wir eins und Morgen wieder zwei.“

Die Straße holpert unter unseren Füßen, kalte klare Luft an einem grauen Morgen im Januar. Schwere legt sich auf mein Herz und Trauer. So schön und so vorbei.

Danke. Einfach nur Danke für eine schöne Zeit. Kein Club ist je vergessen – forever so&so.

Autor: juergenkasek

Lebe lieber ungewöhnlich. Rechtsanwalt, Politiker, Aktivist, Umweltschützer, Blogger, Sportler

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