Die Gesellschaft sucht nicht nach Erkenntnissen sondern nach Erregung.
Der Wunsch nach Aufregung, nach Skandal und Schuldzuweisungen, wie er alltäglich ist, traf diesmal die Bundesinnenministerin.
Diese, so lautet der Vorwurf, hat einen Gastbeitrag in der Zeitschrift „antifa“ geschrieben. Dies wiederum ist die Zeitschrift des VVN-BDA, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, 1947 von Widerstandskämpfern und ehemaligen KZ Inhaftierten, gegründet und nach wie vor wichtigste Interessensvertretung der Verfolgten des Naziregimes.
Aufgrund dessen nehmen an Veranstaltungen des VVN BDA deutschlandweit auch Politiker*innen teil und zwar quer durch alle Parteien, auch CDU, außer der AfD.
Der bayrische Verfassungsschutz und nur der bayrische Verfassungsschutz hält den VVN- BDA für linksextremistisch beeinflusst. Der Vorwurf lautet also nicht, dass es sich um eine linksextremistische Organisation handle sondern um eine durch „Linksextremisten“ beeinflusste.
Richtig ist ebenso, dass der VVN BDA in früheren Zeiten stark kommunistisch geprägt war und durch die DDR mittfinanziert wurde. Beides ist nicht mehr der Fall.
Die Einstufung, die nur noch der bayrische Verfassungsschutz vornimmt, ist daher hochgradig umstritten.
In dem Artikel, um den es denjenigen die sich erregen gar nicht geht, äußert sich die damalige Abgeordnete zum Thema NSU 2.0 und beschreibt das Internet als Radikalisierungsmaschine. Der Text, den wahrscheinlich die meisten, die meinen sich zum Thema zu äußern zu müssen, nicht kennen, ist harmlos und taugt nicht zu einem Vorwurf in irgendeine Richtung.
Kritisiert wird Faeser deswegen auch nicht was sie gesagt hat, sondern wo.
Lanciert wurde die Kampagne von der „Jungen Freiheit“, die wiederum als Scharnier zwischen Konservatismus und Neuer Rechter gilt und die lange Zeit ebenso im Verfassungsschutzbericht stand. Konservative Politiker geben dort regelmäßig Interviews. Aufregung regt sich darüber kaum noch.
Diese ganzen Feinheiten spielen allerdings für die Ankläger keine Rolle, die wiederum vortragen, dass die Innenministerin offenbar eine problematische Nähe zum „Linksextremismus“ hätte und sich davon abgrenzen möge.
Zurückgegriffen wird dabei nicht auf Inhalte oder Aussagen sondern die Anklage wird geführt mit dem Verfassungsschutz eines Landes, wobei außer acht gelassen wird das dieser VS eine Behörde ist, die dem Innenministerium unterstellt ist, dass heißt politisch abhängig.
Dass außerdem die wissenschaftlich problematische Extremismusdoktrin wiederholt wird, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt, ebenso wie der Umstand, dass sich keine Aussage oder Dokumente finden lassen aus denen hervorgehen würde, dass Frau Faeser eine irgendwie geartete Nähe zu „linksextremen“ Kreisen hätte oder „Linksextremismus“ hätte.
Aber im Sturm der Entrüstung reicht die Behauptung, eine dünne Argumentationskette, außer Achtlassung aller vernünftigen Standards und die Welle der Aufregung rauscht durch das Netz.
Ebenso berechnend wie lächerlich. Weil in der Aufregung über die vermeintliche Nähe der Innenministerin zum „Linksextremismus“ sich der „Rechtsextremismus“ wunderbar relativieren und aufwiegen lässt.
Die Kampagne hat schon einen Sinn. Die Aufrechnung soll funktionieren und die ganzen Trolle dürfen sich getriggert und bestätigt fühlen, weil nun ja weil eigentlich.
Aber die Aufregung ist da und irgendwas bleibt schon hängen.