#CancelLeJ – eine Blockade

In der Nacht vom 09. zum 10.07. blockierten mehrere Menschen kurzzeitig eine DHL Zufahrt am Leipziger Flughafen. Das Verfahren wird Fragen auf.

Der Rauch verfliegt. Die ersten erregten Kommentare und Pressemitteilungen sind geschrieben. Zeit aufzuräumen.

Was geschah:

In der Nacht von Freitag zu Sonnabend besetzten mehr als 50 Menschen eine öffentliche Straße, die zum Flughafen Leipzig-Halle führt. Sie taten dies um ein Zeichen gegen den weiteren Ausbau des Leipziger Flughafens zu setzen. Dadurch wurden anliefernde DHL LKWs blockiert. Eine weitere Zufahrt wurde erst nach 1 Stunde geöffnet.
Nachdem die Polizei erschien wurde die Versammlung angezeigt und die Anzeige auch bestätigt. Dennoch wurden mehr als 50 Menschen im Anschluss zunächst Ingewahrsam genommen um im Nachgang die Identität zu klären. Am Sonntag erfolgte die Vorstellung vor dem Haftrichter. Vor dem Eindruck entweder ins Gefängnis zu gehen und zur vollständigen juristischen Prüfung zu warten oder die Personaldaten preiszugeben, entschieden sich die Ingewahrsam genommenen ihre Daten preiszugeben und wurden nach mehr als 30 h aus der Haft entlassen.

Eine Zusammenfassung liefert die Leipziger Internet Zeitung: hier!

Die rechtliche Betrachtung:
Die Versammlung:

Zunächst ist festzuhalten, dass die Versammlung im öffentlichen Raum stattfand. Voraussetzung für eine Versammlung ist das Zusammenkommen von mindestens 2 Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungskundgabe. Diese Vorraussetzung liegt unproblematisch vor. Man muss immer wieder deutlich darauf hinweisen, dass Demonstrationen nie (!) genehmigt werden. Die Ausübung eines Grundrechts bedarf keiner Genehmigung sondern darf nur im Ausnahmefall eingeschränkt werden, vgl § 15 sächsVersG. Das Vorliegen einer Anzeige einer Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes ist daher nicht konstitutiv für eine Versammlung. Die Durchführung einer Anzeigepflichtigen Versammlung ohne vorherige Anzeige kann allerdings ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz darstellen.

Das Versammlungsrecht ist zudem polizeifest was bedeutet, dass nur die Regelungen des VersG aber nicht die allgemeinen Regelungen des Polizeirechts angewandt werden können. Soweit bekannt wurden die Personen aus einer laufenden und nicht verbotenen Versammlung heraus Ingewahrsam genommen. Das ist rechtswidrig. Entweder kann die Polizei einzelne Personen als Störer ausschließen oder muss die Versammlung vorher auflösen. Beides ist nicht geschehen, soweit bekannt.

Die Ingewahrsamnahme erfolgte, nach Angaben der Polizei zur Wahrung „zivilrechtlicher Ansprüche“, vgl Pressemeldung. Gemäß § 2 II sächsPVDG kann die Polizei auch zur Wahrung zivilrechtlicher Ansprüche eingesetzt werden, wenn gerichtliche Hilfe nicht rechtzeitig zu holen ist und ansonsten eine deutliche Erschwerung drohen würde.

Zu diesem Zeitpunkt lagen jedoch bereits die Daten des Anmelders Marco Böhme und weiterer Personen vor. Für die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche wird man im Regelfall auf die Verantwortlichen zurückgreifen. Die Daten lagen vor. Der Rückgriff auf weitere Personen zur Wahrung zivilrechtlicher Ansprüche daher nicht notwendig.

Bei der Haftprüfung kam es dann nicht mehr auf zivilrechtliche Ansprüche an sondern auf den Tatbestand der Nötigung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (so etwa hier BVerfG zur Blockade der Rhein Main Air Base ) geht jedoch die grundgesetzlich garantierte Versammlungsfreiheit vor, zumal nicht etwa die komplette DHL Zufahrt blockiert wurde sondern eine von mehreren öffentlichen Zufahrtsstraßen.

DHL selber hat inzwischen eingeräumt, dass entgegen früherer Behauptungen kein (!) Flugzeug verspätet abhob. Welcher Schaden soll also entstanden sein? Dennoch wurde die erste Behauptung, dass ein Schaden von 1,5 Mio € entstanden sei, unhinterfragt von Presse und Staatsanwaltschaft übernommen, was ein einmaliger Vorgang ist. Die Ingewahrsahmnahme eines Menschen ist ein sehr schwerer Grundrechtseingriff, der einer genauen Prüfung bedarf. Diese Prüfung wurde in der notwendigen Tiefe erkennbar nicht vorgenommen.

Und natürlich ist es Unfug hier mit Landfriedensbruch zu argumentieren. Die Voraussetzungen von § 125 StGB lagen nicht einmal ansatzweise vor. Es gab keine Gewalttätigkeiten.

Juristisch betrachtet drängt sich der Eindruck auf, dass man ein Exempel statuieren wollte.

Die politische Ebene.

Neben der juristischen Ebene ist vor allen Dingen die politische Ebene der Punkt, der ein ungutes Gefühl hinterlässt. Politik verleitet dazu sich möglichst schnell und deutlich zu äußern. Oft zählen nicht die leisen abwägenden Stimmen sondern es zählt Geschwindigkeit und Deutlichkeit.

Vielleicht ist dies auch die Erklärung warum sich so viele Politiker, fast ausschließlich Männer, zum Sachverhalt äußernden, ohne auch nur ansatzweise sich mit dem Sachverhalt auseinanderzusetzen.

Fast alle Parteien verurteilen das Vorgehen, der Klimaaktivisten. Einige sprechen sogar von „Terror“.

Der sächsische Ministerpräsident, lässt sich so zitieren, dass „Die Grundlage unseres Zusammenlebens ist, dass Gewalt weder gegen Personen noch gegen Sachen ausgeübt wird. Hier sind Grenzen überschritten worden.“. Damit unterstellt er explizit, dass es zu Gewalt gekommen sei, was komplett falsch ist und auch von der Polizei nicht behauptet wird.

Auch der 2. stellvertretende Ministerpräsident (Dulig) verurteilt die Demo. Er meint, dass durch den Rückstau ein „gefährlicher Eingriff“ in den Straßenverkehr vorliege und man zwar demonstrieren dürfe aber nicht so.

Abgesehen davon, dass die Behauptung, dass ein gefährlicher Eingriff vorliege juristischer Blödsinn ist, verkennt der stellvertretende Ministerpräsident das Versammlungsgrundrecht völlig. Nahezu jede Demonstration greift in die Grundrechte Dritter ein. Weswegen sie in Ausgleich zu bringen sind, im Sinne der praktischen Konkordanz. Versammlungen sollen und dürfen wehtun. Das ist das Kernstück einer Demokratie.

Dabei sei nur erwähnt, dass gerade jene Politiker*innen, die jetzt die Aktion verurteilen oft genug bei rechtsextremen Aufmärschen davon sprechen, dass dies die Demokratie aushalten müsse…

Der Eindruck, dass es weil hier mehrheitlich junge Menschen demonstrieren bei dem entscheidenden Zukunftsthema, vor allen Dingen Härte gezeigt werden soll überwiegt.

Die Interessen, derer die sich aufgrund des fortschreitenden Klimwandels Sorgen machen, werden nicht nur nicht ernst genommen, sie werden kriminalisiert.

Es entsteht der Eindruck, dass sich weite Teile der Politik nicht mit dem Grund der Versammlung auseinandersetzen wollen. Eine Versammlung, die man als rechtswidrig einstuft und sogar mit Gewalt in Verbindung setzt (siehe der Ministerpräsident) kann nicht Teil einer Debatte sein. Das Anliegen und die die demonstrieren werden delegitimiert – ausgeschlossen.

In dieser Art der Debatte interessieren weder Fakten, noch juristische Feinheiten. Was interessiert ist das politische Narrativ. Einzuräumen, dass man die Aktion hinsichtlich der Legitimität kritisch bewerten kann und das anliegen trotzdem ernst zu nehmen, würde nämlich bedeuten, dass man das eigene politische Handeln kritisch reflektieren müsste.

Was aber folgt sind die sattsam bekannten Hinweise darauf, dass der Flughafen Arbeitsplätze bedeutet und von wirtschaftlicher Bedeutung ist.

Eine grundsätzliche Abwägung, die im Zweifelsfall wirtschaftlichen Erwägungen den Vorzug gibt, ist ein eklatanter Verstoß gegen das Diktum des Bundesverfassungsgerichts im aktuellen Klimaurteil.

Vor dem Hintergrund der kommenden Bundestagswahl interessiert dies freilich nicht.

Fazit: Die Behandlung des Geschehens ist auf rechtsstaatlicher Seite äußerst problematisch und hinsichtlich des politischen Debattenniveaus gefährlich. Der Eindruck, dass die Klimabewegung kriminalisiert werden soll vertieft die Spaltung und schafft mehr Solidarität und Wut.

Allein wird das nicht ausreichen um die Klimafrage zu lösen. Denn dazu bräuchte es alle Teile der Gesellschaft.

Autor: juergenkasek

Lebe lieber ungewöhnlich. Rechtsanwalt, Politiker, Aktivist, Umweltschützer, Blogger, Sportler

2 Kommentare zu „#CancelLeJ – eine Blockade“

  1. Hmm, wo war jetzt das Problem zu seinem Standpunkt auch Gesicht zu zeigen und seinen Namen für evtl. strafrechtliche und zivilrechtliche Schritte anzugeben. Die Polizei als Verfolgungsinstitution ist ja auch an Gesetze gebunden und muss die Identität feststellen. Einfach mal Rückrad zeigen wenn man für das Gute einsteht und nicht aus der Anonymität mit Sekundenkleber an den Fingern agieren!

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