Oft genug wurde nach der Eskalation einer Versammlung in Leipzig, Anfang Juni, davon gesprochen, dass es doch klar war, dass etwas passiert.
Daraus folgt dann die Ableitung, dass jeder Mensch, der dorthin gegangen ist oder sich beteiligt hat, selber die Verantwortung dafür trägt und es mithin keine Unschuldigen gibt. Die Erwartungshaltung ist, dass man künftig nicht mehr hingeht.
Die Annahme ist, dass man im Angesicht einer möglichen Gefahr auf die Ausübung seiner Grundrechte verzichtet.
Aber wo soll das enden?
Das Versprechen der Demokratie ist, dass sich jede(r) Mensch beteiligen kann, ohne Angst haben zu müssen.
Drohungen, Beleidigungen, gar Gewalt die zunehmende Verrohung des Diskurses ist damit für die Demokratie eine Gefahr. Im Shitstorm der Aufregung gibt es nicht wenige, die sich genau deswegen zurückziehen oder andere die sich radikalisieren. Beides ist eine Gefahr.
Und die Erwartungshaltung derjenigen, die angesichts möglicher Gefahren oder Drohungen sich zurückziehen, kann ich nur enttäuschen.
Am Ende läuft es auf das gleiche Eben hinaus, wie bei der oft genug vorkommenden Schuldumkehr.
Wenn ich ein durchgestrichenes Hakenkreuz trage, bin ich selber Schuld wenn ich von Rechten angegriffen werde, schließlich muss ich die nicht provozieren? Wirklich?
Und wenn queere Menschen angegriffen werden, sind die selber Schuld, weil sie ihr anders sein auch noch ausleben oder es zeigen?
Was sagt das über den Zustand der vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft auch, wenn das Eintreten für Grundrechte als Provokation gilt, wenn das individuelle Auftreten eine Provokation ist und wenn das vertreten einer Meinung, im Zweifelsfall dazu führt, dass man mit dem Shitstorm rechnen muss und mit Angriffen?
Ihr, die ihr sagt, man hätte sich bei der Versammlung im Kontext des Urteils des Antifa Ost Verfahrens nicht beteiligen dürfen weil es doch klar war, rufe ich zu: Ich verstehe euch.
Im Ernstfall überlasst ihr die Straße denjenigen, denen es um die Gewalt geht und wünscht euch insgeheim einen starken Staat der durchgreift. Der Autoritarismus ist stark in euch.
Nicht diejenigen, die friedlich ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen und zwar unabhängig der vertretenen Meinung sind das Problem sondern diejenigen, die das verbieten möchten.
Nicht diejenigen, die ein durchgestrichenes Hakenkreuz tragen sind ein Problem und auch nicht diejenigen, die weil sie anders aussehen oder anders lieben oder anders sprechen, sondern diejenigen, die das als Problem sehen und sie finden ihre Helfer*innen bei denjenigen, die meinen, dass man selber schuld sei.
Diese Demokratie ist das Versprechen sich ohne Angst beteiligen zu können. Wer präventiv darauf verzichtet, beerdigt die Demokratie.
Ihr seid gegen Gewalt? Ich auch!
Die Straße denjenigen zu überlassen, die Gewalt gut finden ist in einer Demokratie nie die beste Lösung und wer Verboten fordert, hat das Wesen eines freiheitlich demokratischen Rechtsstaates, indem Verbote immer die ultima ratio, also das letzte Mittel sind, wenn alles andere ausgeschöpft wurde, nicht verstanden.
Gegen die Angst.