Nach Sonneberg – Thesen zur Landratswahl in Thüringen



In der Stichwahl hat bei der Landratswahl im Kreis Sonneberg der Kandidat der AfD gewonnen. Das ist eine Zäsur, da die AfD zum ersten mal damit einen Landrat und damit Kopf der Exekutive auf kommunaler Ebene stellt.

Daraus kann man wichtige Schlussfolgerungen ableiten.

1) Es kommt nicht auf die Inhalte an.
Gewonnen hat ein Kandidat, der für sichere Grenzen warb, den Austritt aus dem Euro und die Russlandsanktionen beenden wollte. Nichts davon lässt sich auf kommunaler Ebene lösen oder auch nur angehen. Damit ging es ganz offensichtlich nicht um die vermeintlichen Inhalte sondern gewonnen hat eine Ideologie.

2) Die Ökonomische Situation ist nicht der Schlüssel.
Bislang ging man oft genug davon aus, dass man die ökonomische Situation verbessern müsse und sich alles nur dadurch lösen lasse. Gerade Sonneberg zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Die Arbeitslosigkeit liegt unter dem Bundesdurchschnitt, der Kreis prosperiert wirtschaftlich. Während sich fast alle anderen Parteien mit ökonomischen Fragen auseinandersetzen, konnte die AfD offenbar anders punkten. Die AfD tritt dabei als soziale Bewegung auf, die Menschen mit autoritären Einstellungen anspricht. Und dies wird seit Jahren vorbereitet.

3) Der Ruf des Autoritarismus.
In Zeiten multipler sich gegenseitiger überlappender Krisen nimmt die Zustimmung zu autoritären Einstellungsmustern zu. Es geht hier weniger um eine aktuelle Angst, bedingt aus der eigenen wirtschaftlichen Situation, es geht um eine allgemeine Zukunftsangst, die durch überlappende Krisen gekennzeichnet ist. Diese Verunsicherung trifft auf eine nicht aufgearbeitete Diktatursozialisation und Erfahrung, insbesondere im Osten. Hinzu kommen Transformationsprozesse, die Menschen mit autoritären Einstellungen, die es weit verbreitet gibt, stärker aktivieren.

4) Die Rolle alternativer Medien.
Menschen mit autoritären Einstellungen brauchen starke Führer und schwache Gegenbilder. Also die Vorstellung, dass es einen starken Führer gebe (die AfD) und andererseits die eigentlichen Lenker (Bundesregierung) schwach sind. Man merkt dies auch an den Kommentaren, wie man sich an der Ampel abarbeitet. Der Bundeskanzler sei ein Lügner (Cum EX), die Grünen sind seit jeher ohnehin das Feindbild und so weiter.
Dazu kommt die Verbreitung alternativer Medien, die in einigen Regionen Ostdeutschlands extrem weit verbreitet sind, Telegramkanäle, Youtube und Co und dabei auch gefüttert werden von reichweiten starken Angeboten wie Tichys Einblick Reitschuster und Co.
Betrachtet man dies genauer stellt man einen „Propaganda Doom Loop“ fest, fast immer wird der Untergang beschworen. Bedeutet, dass mehr und mehr Menschen glauben, dass wir vor dem Untergang stehen, wirtschaftliche Kenndaten spielen dabei weniger eine Rolle. Es geht um das vermittelte Gefühl.

5) Schuldzuweisungen und Ossi Bashing.
Schuldzuweisungen sind in der Politik gang und gebe. Seit geraumer Zeit, mit den hohen AfD Umfragewerten, erklärt etwa die CDU, dass die Ampel schuld sei, während andererseits auf die Verantwortung der CDU hingewiesen wird. Nach diesen Wahlabenden paart sich das gern mit allgemeinen Ossi Bashing. Weder das eine oder das andere ändern etwas an der Situation. Man kann auch darüber reden, dass von den Wahlberechtigten ca 50% wählen waren und dabei mehrheitlich sehr bewusst die AfD gewählt haben. 50 % waren gar nicht wählen. Fokussiert wird sich dabei aber auf die AfD Wähler und es spricht wenig dafür, dass diese mit Wählerbeschimpfung oder Übernahme der Sprache und Forderungen der AfD zurückzuholen sind.

6) Es gibt keine Brandmauer.
Eine wichtige Lehre ist auch, dass im Zweifelsfall auch die Beschwörung einer demokratischen Alternative und die Vereinigung aller anderen Parteien auf einen Gegenkandidaten nicht mehr funktioniert. Das dürfte vor allen Dingen für die CDU im Osten Folgen haben, die etwa bei der letzten Landtagswahl in Sachsen davon profitieren konnten, dass sie Stimmen von SPD, Grünen und auch Linken bekamen um auf jeden Fall einen Sieg der AfD zu verhindern.

Eine CDU, die aber im Zweifelsfall sowohl verbal als auch inhaltlich nicht von der AfD zu unterscheiden ist, ist kein Angebot mehr und für Anhänger von anderen Parteien kein Motivationstreiber einen Sieg der AfD zu verhindern.

7) Etablierung und Normalisierung der AfD
Die AfD wird versucht sein den Sieg größer auszudeuten als er tatsächlich ist. Trotzdem sorgt auch der Sieg dafür, dass sich Positionen der AfD weiter normalisieren und im Zuge dieser Normalisierung weitere Wahlsiege jedenfalls nicht unwahrscheinlicher werden.

Dazu gehört eben auch die Erkenntnis, dass die Übernahme von Forderungen und Sprache der AfD; was die CDU sehr intensiv versucht hat, nicht etwa bewirkt das Wähler zurückkommen sondern zur Etablierung, dessen was man vorgibt zu bekämpfen beiträgt.

Betrachtet man die Lage der CDU insgesamt im Osten, dann darf es noch ungemütlicher werden. Einerseits ist die CDU im Osten will sie regieren auch auf 3 Parteienbündnisse jenseits der AfD angewiesen, was Konservative Wähler nicht zurfriedenstellt, andererseits kann sie nicht weiter nach rechts, da dieser Raum durch die AfD verstellt ist und das weitere ausscheren der CDU, ihr selber keine neuen Wähler bringt.

8) Wer gratuliert !
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die AfD in Thüringen als gesichert rechtsextrem gilt. Entsprechend bedankte sich der Landesvorsitzende Höcke auch beim extrem rechten 1 Prozent Netzwerk und Menschen wie der Holocaustleugner, Antisemit und Rechtsextremist Nikolai N. aka „Der Volkslehrer“ waren mit vor Ort.
Durch den Wahlsieg der AfD dürfen sich auch militante Neonazis im Aufwind fühlen und mit gestärkten Selbstbewusstsein agieren.

9) Ein Blick in die Zukunft?
Der Blick in die Zukunft verheißt nichts Gutes. Nächstes Jahr finden in Thüringen und Sachsen Landtagswahlen statt. Aktuell führt die AfD bei den Umfragen in Thüringen. Eine Koalition jenseits der AfD käme nur als Bündnis mit CDU und Linke zustande, was aber ausgeschlossen erscheint. Eine CDU, die auf Mitte links Parteien angewiesen ist, kann aber einen Teil ihrer eigenen Wähler nicht überzeugen.

Die Stimmen innerhalb der CDU, die es im Ernstfall auf eine Koalition mit der AfD ankommen lassen würden, werden nicht weniger werden. Dies gilt umso mehr, als dass zwar der AfD Landrat kaum das bewirken kann, was er versprochen hat, gleichzeitig aber sich vermeintlich zeigen wird, dass er ja „doch nicht so schlimm“ ist.

All das darf beunruhigen und sollte jenseits von stupiden Ossi Bashing, Schuldzuweisungen und CO ausreichend Anregung für alle anderen Parteien seien, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.