Leipzig, ein Tag im Juni- Ein Jahr nach Tag x, le0306

Leipzig, ein Tag im Juni.

Es ist ein Sonnabend. Sonnenstrahlen und Wärme aber noch kein Sommer, die Nacht wird kalt werden und für einige Menschen unerträglich. Es ist der 03.Juni 2023.

Während in der Innenstadt das Stadtfest stattfindet, liegt über den Süden Spannung. Das Urteil im sogenannten „Antifa Ost“ Verfahren liegt wenige Tage zurück. Bereits am Mittwoch und in der Freitagnacht kam es zu Scharmützeln.

Die Stadt hat per Allgemeinverfügung alle Demonstrationen in diesem Kontext, die nicht bis zum Mittwoch angemeldet waren verboten und die eigentliche zentrale Demonstration des sog. Tag X wird dann ebenfalls verboten.

Die endgültige Entscheidung des letztlich angerufenen Bundesverfassungsgerichts ergeht erst wenige Stunden bevor die Versammlung stattfinden sollte.

Aufgrund der massiven Einschränkung der Versammlungsfreiheit hatte der „Say it loud e.V.“ eine Versammlung angemeldet für Versammlungsfreiheit. Sie sollte aus der Südvorstadt in Richtung Stadt laufen, ohne das Stadtfest zu tangieren.

Dem Aufruf für Versammlungsfreiheit folgten mehr als 2000 Personen. Für 1323 von Ihnen endete dieser Tag in einem 11 stündigen Polizeikessel, ohne Sanitäranlagen, ohne Kontakt von Minderjährigen zu ihren Eltern. Über 300 Handys wurden eingesammelt und mehr und mehr zeigt sich es gab nie die Absicht die Versammlungsfreiheit zu gewährleisten.

In Erwägung das bei der Demonstration auch Gewalttäter*innen dabei sein könnten, wollte man so viele Personen wie möglich festhalten um damit „Gefahren“ abzuwehren.

Nichts daran war verhältnismäßig. Vermummte Staatsanwält*innen, prügelnde Beamte und eine Rechtfertigung, die darauf abzielt alle Versammlungsteilnehmer, die ihr Grundrecht in Anspruch nehmen wollten, zu Straftätern zu erklären.

Durch Anfragen insbesondere von DIE LINKE ist inzwischen klar, dass die Polizei davon ausging nur 150 Menschen festgesetzt zu haben und selbst nach mehreren Stunden bis zum Ende der Maßnahme nicht wußte, dass man mehr als die Hälfte aller Versammlungsteilnehmer in einen Kessel gefangen hielt.

Ermittlungsbehörden behaupteten man hätte massenweise Teleskopschlagstöcke konfisziert. Danach wird deutlich, dass es sich um Fahnenstange handelte. Und währen die Ermittlungen gegen einzelne Polizeibeamte, sehr schnell eingestellt wurden, laufen die Verfahren gegen die Teilnehmer immer noch.

An diesem Tag ist bei vielen Menschen etwas zerstört worden. Das Gefühl allein zu sein und im Ernstfall hilflos einem Staat ausgesetzt zu sein, der im Ernstfall auch das Recht bricht weil er das Recht auf ungestörten Konsum höher gewichtet, als die Versammlungsfreiheit.

Weil die Unversertheit der Schaufensterscheibe und der Mülltonne höher zu wichten ist, als die körperliche Unversertheit und die Menschenwürde von Versammlungsteilnehmern.

Ein Jahr ist seit dem vergangen. Die psychischen Wunden bleiben.

Es gründeten sich deswegen auch die Eltern gegen Polizeigewalt.

Und wie verlogen ist es, wenn nunmehr die CDU Leipzig die Initiative der Eltern gegen Polizeigewalt als Begründung heranzieht warum nicht auf einer gemeinsamen Demo für Demokratie laufen will.

Es ist absehbar und dennoch so unehrlich.

Ich war Versammlungsleiter vor einem Jahr. Die Geschehnisse werden mich nicht mehr loslassen.

Nichts ist vergessen.

Autor: juergenkasek

Lebe lieber ungewöhnlich. Rechtsanwalt, Politiker, Aktivist, Umweltschützer, Blogger, Sportler

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