Sitzblockaden – eine Einstellung.

Es ist die Geschichte des 02.05.2016, die man immer wieder erzählen muss.

Im Rahmen einer Demonstration von Leipzig nimmt Platz nahmen mehr als 300 Menschen spontan auf dem Leipziger Innenstadtring Platz um so ihre Ablehnung gegen Menschenfeindlichkeit deutlich zu machen.

Ein Teil dieser Spontanversammlung wurde legitimiert. Der äußere Teil der Gruppe auf dem Ring sollte sich entfernen, was die wenigsten taten. Im Nachgang wurden mehr als 160 Verfahren aufgenommen.

Der Großteil wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz wurde als Ordnungswidrigkeit behandelt. Die Personen erhielten nach mehreren Verfahren und umfangreichen Verhandlungen der Verteidiger Bußgelder zwischen 150 – 200 €, nachdem zunächst 3-400 € festgesetzt waren.

Einige wenige Verfahren wurden als Strafverfahren geführt.

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Ein Brief an den sächsischen Ministerpräsident Michael Kretschmer anlässlich des Kampfes gegen Rechts.

Sehr geehrter Herr Kretzschmer,

mit Interesse habe ich vernommen, dass sie dazu aufrufen ein Zeichen gegen Rechts zu setzen, anlässlich des Neonazifestivals in Ostritz, welches am 20.04.2018 beginnt.

„Wir wollen ein Zeichen setzen, dass die Menschen in dieser Gegend keine Rechtsextremisten tolerieren“, werden sie in der LVZ zitiert.

Sie fürchten sich außerdem um den Ruf der „Heimat“: „Wir lassen uns den Ruf unserer Heimat nicht zerstören“, so Kretschmer.

Grundsätzlich klingen diese Worte gut. Allein geht es mir dabei wie Goethe, der einst schrieb: „Die Botschaft hör ich wohl allein mir fehlt der Glaube.“ (Faust)

Zunächst mal ist Heimat ein individueller, emotionaler Begriff und keine politische Kategorie. Zu klären wäre daher, was sie mit dem Begriff Heimat genau meinen. Handelt es sich um den ursprünglichen Begriff, der auf die Abstammung abstellt oder liegt dem etwas anderes zu Grunde?

Ganz offenbar sorgen Sie sich nicht um die Demokratie, die durch „Rechtsextreme“ herausgefordert wird , sondern nur um den Ruf? Geht es Ihnen also um die Bedrohung des Images von dieser „Heimat“ oder um grundsätzlichere Fragen?

Sollten Sie sich um den Ruf sorgen, darf ich Sie beruhigen. Mit der Band „Feine Sahne Fischfilet“ gesprochen ist der nämlich schon „komplett im Arsch“ und das nicht erst seit der Bundestagswahl.

Zu oft und zu regelmäßig kommt es in Sachsen zu menschenfeindlichen Zwischenfällen. Wo waren ihre deutlichen Worte angesichts von Heidenau und Claußnitz oder aktueller Bautzen und Wurzen? Wo die konsequente Unterstützung der Zivilgesellschaft?

Sie stellen auf Rechtsextremisten ab aber sie handeln nicht konsequent.

Rechtsextremismus dient als Sammelbezeichnung, um neofaschistische, neonazistische oder ultra-nationalistische politische Ideologien und Aktivitäten zu beschreiben. Deren gemeinsamer Kern ist die Orientierung an der ethnischen Zugehörigkeit, die Infragestellung der rechtlichen Gleichheit der Menschen sowie ein antipluralistisches, antidemokratisches und autoritär geprägtes Gesellschaftsverständnis. Politischen Ausdruck findet dies in Bemühungen, den Nationalstaat zu einer autoritär geführten „Volksgemeinschaft“ umzugestalten. Der Begriff „Volk“ wird dabei rassistisch oder ethnopluralistisch gedeutet.

Diesen Begriff zu Grunde gelegt erscheint es mehr als zweifelhaft, dass Sie jemanden wie Marco Wruck, den ehemaligen NPD Chef von Bautzen als „vermeintlichen Rechten“ bezeichnen und diesen zu einem Bürgergespräch einladen.

Oder, dass Sie betonen wie willkommen Ihnen Kritik ist, sie auf der anderen Seite Stigmatisierungen beklagen. Wo haben Sie Partei für linke Gruppen ergriffen und deren Stigmatisierung beklagt, wenn diese gegen Rechte demonstrieren? Wo ist ihre uneingeschränkte Solidarität mit denjenigen Menschen, die jeden Tag Demokratie leben und deswegen Demonstrationen für Freiheit und Demokratie durchführen? Ich kann die Band Banda Comunale nur allzu gut verstehen, dass diese nicht mehr bereit ist unter diesen Bedingungen auf dem Bürgerfest zu spielen.

Nein, ihre Strategie ist zu offenkundig und unehrlich – das alte Spiel teile und herrsche.

Wenn am 20.04. militante Neonazis sich zusammenrotten, einen Fakt über den Deutschland spricht, dann gilt es Zeichen zu setzen um damit nach außen hin deutlich zu machen, dass der Freistaat und der Ministerpräsident sich klar positionieren. Ebenso wie schon bei anderen Vorfällen, die in der medialen Aufmerksamkeit die Grenzen des Freistaates überschritten haben. Die Ankündigung zum Handeln erfolgt nur dann, wenn man dazu gezwungen wird aufgrund des öffentlichen Drucks.

Aber dann wenn die mediale Aufmerksamkeit kleiner ausfällt ist man nach wie vor bereit Faschisten in Nadelstreifen den Dialog anzubieten und diese zu verteidigen. Oder täuscht dieser Eindruck?

Wenn Sie das Zeichen setzen ernst meinen, setzen Sie sich für mehr politische Bildung ein, machen sie deutlich wo die Grenzen der demokratischen Meinungsäußerung sind und unterstützen Sie konsequent diejenigen die die Demokratie verteidigen.

Sie könnten zum Beispiel deutlich machen, dass auch das Festival Rechts rockt nicht! mit allen Unterstützern willkommene Partner in Ostritz bei der Auseinandersetzung gegen Rechts sind.

Trauen Sie sich – zeigen Sie, dass ihre Worte ernst gemeint sind, belassen Sie es nicht bei medialer Symbolpolitik, die darüber hinaus unglaubwürdig ist – handeln sie wirklich. Setzen Sie auf die Verteidigung der Demokratie und stellen Sie sich gegen den Rechtsruck in dieser Gesellschaft.

Tun Sie dies werden ihre Worte auch glaubhaft.

Hochachtungsvoll

Ein Mensch, geboren in Sachsen.

 

Hinweis: Für den 21.04. hat das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz Busse organisiert die nach OStritz fahren. Seid dabei

 

 

 

 

 

Die wehrhafte Demokratie – Außenansichten

Am 25.05. fand in Leipzig eine Veranstaltung des Bürgerkomitees Leipzig in der Gedenkstätte Museum der Runden Ecke statt. Das Thema: “Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit – ein Grundrecht, das für alle gilt?“Wie auch bei der folgenden Veranstaltung zum Thema Meinungsstreit waren die Rollen klar verteilt. Hier die Guten und da die Bösen. Es diskutierten der Pressesprecher der Polizei Leipzig Andreas Loepki, mit dem Verwaltungsrichter Dr. Jürgen Vormeier, dem ehemaligen SPD MdB Gunter Weißgerber und Irena Rudolph-Kokot vom Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“. Unter dem Hashtag #le2505 lassen sich Eindrücke sammeln. Torsten Kokot war dabei und hat seine Eindrücke niedergeschrieben.

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Ein Brief an den Oberbürgermeister von Leipzig

Am 02.05.haben sich im Rahmen einer Demonstration von Leipzig nimmt Platz mehr als 150 Menschen auf die Straße gesetzt um gegen Rassismus und Hass zu demonstrieren. Diese Menschen sehen sich nunmehr Buß- und Strafgeldverfahren ausgesetzt. Dazusetzen hat gemeinsam mit Prisma Leipzig dazu aufgerufen Briefe an die Stadt zu schreiben. Als Rechtsanwalt einiger Betroffener, tue ich dies gerne.

 

Stadtverwaltung Leipzig

Betreff. Ordnungswidrigkeitenverfahren 02.05.2016, Dazusetzen.

Zur Kenntnisnahme auch an die Fraktionen im Stadtrat Bündnis 90 / Die Grünen Leipzig; SPD-Fraktion LeipzigFraktion DIE LINKE im Stadtrat zu LeipzigCDU-Fraktion Leipzig

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Burkhard Jung,

ich schreibe Ihnen heute als Rechtsanwalt, der einige der Betroffenen des 02.05.2016 berät.

Die Entwicklungen der letzten Jahre sind auch an Leipzig nicht spurlos vorüber gegangen. Auch in Leipzig wurde versucht unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit Hass zu äußern und Einstellungsmuster der Ungleichwertigkeit zu verbreiten.

Leipzig will eine weltoffene Stadt sein. Das Engagement für Demokratie, für Schwächere und das Eintreten für die Gleichheit aller Menschen ist deshalb unabdingbar.

Anders als in Dresden ist es gelungen dem Treiben der Rechten, die immer wieder versucht haben die Deutungshoheit im öffentlichen Raum zu erringen, Einhalt zu gebieten. Möglich ist es auch deswegen geworden weil es einen gesellschaftlichen Minimalkonsens gibt, der eine klare Grenze zu Gegnern der freiheitlich- demokratischen Grundordnung, mithin Rechtsextremen zieht.

Auch Sie als OBM stehen dafür, wofür Ihnen viele Menschen, egal welcher politischer Couleur dankbar sind. In den zugrunde liegenden Fragen geht es nicht um eine parteipolitische Überzeugung sondern um das Zusammenleben und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Die Gefahr ist damit mitnichten gebannt. Umso notwendiger ist es, dass alle Demokraten weiterhin gemeinsam für die Stärkung der Demokratie, zu der auch unterschiedliche Meinungen gehören, und gegen Hass und Hetze arbeiten.

Am 02.05.2016 haben sich mehr als 150 Bürger*innen dieser Stadt auf den Ring gesetzt umso gegen Rassismus und Neonazismus und damit auch gegen LEGIDA zu demonstrieren. Im Nachgang wurden gegen 167 von Ihnen Verfahren eröffnet. Zum Teil als Strafverfahren, zum Teil als Bußgeldverfahren. Die Strafen reichen von 300 € bis hin zu 1500 €. Es hat Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft getroffen: Angestellte, Student*innen, Schüler*innen, Selbstständige, Erwerbssuchende.

Sie haben etwas getan, dass man eigentlich von jedem Menschen erwarten darf: Sich offensiv gegen Hass und Hetze, gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit zu stellen und das friedlich. Es flog kein Stein, es brannten keine Barrikaden.

Die Menschen saßen auf der Straße und haben sich ihren Platz genommen. Man kann dies auch als zivilen Ungehorsam bezeichnen. Ein Umstand, der für aufgeklärte Gesellschaften charakterisierend ist.

Als Anwalt habe ich in den letzten 2 Jahren viele Menschen betreut und beraten, die mit dem Versammlungsrecht in Konflikt geraten sind. Für die meisten dieser Menschen ist dies eine einschneidende Erfahrung.

Die Lehramtsstudentin, die zum ersten Mal auf einer Demonstration war und ihr Gesicht abdeckte um nicht fotografiert zu werden und danach von der Polizei festgehalten wurde, wegen Verstoß gegen das Vermummungsverbot, ist ebenso geschockt, wie die Eltern eines jungen Mannes, der am Abend mit gezerrter Schulter nach Hause kam weil Polizisten ihn festhielten, da er ein Megafon zu laut eingesetzt hätte. Sie alle werden so schnell nicht wieder demonstrieren. Nicht weil sie glauben etwas falsch gemacht zu haben sondern weil sie Gewalt fürchten.

Auch viele der Menschen, die am 02.05. Platz genommen haben, um friedlich zu demonstrieren, sind konsterniert.
Nicht weil sie eine Ordnungswidrigkeit begangen haben sollen, sondern aufgrund des Umganges damit.

Für den Verfassungsschutz laufen diese Fälle als politisch linker Extremismus ab und finden Eingang in die Statistik, die nach Erscheinen dann wortreich von Politikern beklagt wird.
Wie erkläre ich dem Lehrer, den Eltern, dem Angestellten, den Schüler*innen und Student*innen das sie für die Behörden zum Teil als linksextrem gelten weil Sie nicht ertragen haben wie Neonazis, Verschwörungstheoretiker und Rassisten Parolen gröhlend durch Leipzig ziehen?

Und wie erkläre ich diese Menschen die Höhe ihres Bußgeldes bei einer Ordnungswidrigkeit, für die nach § 30 sächsVersG maximal 500 € vorgesehen sind. Im Vergleich: bei den Blockaden des Castors werden regelmäßig Bußgelder bis zu 100 € fällig.
Ich will an dieser Stelle nicht die Diskussion führen, dass auch Sitzblockaden vom Schutz der Versammlungsfreiheit erfasst sein können. Dies ist Aufgabe der Gerichte. Aber ich frage mich warum in Dresden Sitzblockaden am 11.02.2017 als demonstrativ und damit straffrei gewertet werden und in Leipzig, wo selbst der Anmelder der konkurrierenden Versammlung kein Problem mit der Umleitung hatte, nicht.

Diese Menschen, die sich am 02.05.2016 auf die Straße setzten, haben vielleicht, was ich aus rechtlichen Gründen bezweifle, eine Ordnungswidrigkeit begangen. Sie sind keine Verbrecher, sie sind schon gar keine Linksextremisten. Es sind mündige Bürger*innen gewesen.
Sprechen Sie mit diesen Menschen. Machen Sie deutlich, dass diese Menschen keine Verbrecher oder Straftäter sind und prüfen Sie ob die Höhe des Bußgeldes wirklich angezeigt war und ist.
Ich bin überzeugt, dass wir mehr Menschen brauchen die Mut haben, die auch den Mut haben Sachen in Frage zu stellen und sich klar für Demokratie und die Gleichheit aller Menschen – einzusetzen.

Am 02.05.2016 hätte ich mich dazugesetzt. Und ich denke und hoffe, Sie hätten dies auch getan.

Hochachtungsvoll

Jürgen Kasek, Rechtsanwalt

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Sitzblockaden, der Fall 02.05.2016 in Leipzig

Hintergrund,

Am 02.05.2016 setzten sich im Rahmen einer angemeldeten und nicht verbotenen Versammlung des Aktionsnetzwerkes Leipzig nimmt Platz mehr als 300 Menschen auf die Straße. Dies taten sie um ihre Ablehnung des rassistischen Aufmarsches einer konkurrierenden Versammlung kund zu tun. Weiterlesen „Sitzblockaden, der Fall 02.05.2016 in Leipzig“