Ein Montag im Spätsommer.
Ein halbes Dutzend Demonstrationen fand gestern in Leipzig statt. Zentraler Punkt war der Augustusplatz. Auf der einen Seite stand die Partei DIE Linke mit Unterstützern, auf der anderen Seite Querdenker, „Freie Sachsen“, Nationalisten, Reichsbürger. Und nein, sie sind nicht das Volk.
Parallel dazu hatte das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz zu einer eigenständigen Demonstration für einen „Konsequenten Antifaschismus“ geworben.
Montage.
Immer wieder versuchen rechte Gruppen, insbesondere den Montag zu vereinnahmen. Sie wollen damit an den Herbst 89 anknüpfen und damit an die Erzählung, dass die Bürger einen Staat zum Sturz gebracht hätten.
Diese Erzählung ist eindimensional und versucht Geschichte umzudeuten.
Die Montagsdemos nach den Friedensgebeten forderten mehr Freiheit und mehr Demokratie. Es ging um das Recht auf Mitbestimmung. Wer aber sich auf die Demokratie beruft, kann nicht Seite an Seite mit denen laufen, die die Demokratie zugunsten eines autoritären Nationalstaates beseitigen wollen. Aber diese Zusammenhänge werden ausgeblendet. Was von 89 übrig bleibt ist die krude Erzählung von „wir hier unten“ gegen „die da oben“.
Spätestens seit 2014 ist der Montag in Sachsen problembesetzt. Der Montag wurde insbesondere für Rechte zum zentralen Demonstrationstag. Ausgehend von Pegida und 2015, 2016 sachsenweit für rassistische Aufmärsche.
Das Thema „Geflüchtete“ trat dabei zusehends in der Hintergrund und wurde seit 2020 durch das neue Thema „Corona“ überlagert. Parallel wurde gegen Klimaschützer polemisiert.
Die Grunderzählung bleibt gleich: Das Volk müsse sich gegen vermeintliche Eliten wehren, die die Bürger „drangsalieren“. Die eigentlichen Themen sind austauschbar. Lösungen werden nicht angeboten oder verhandelt sondern ein Feindbild angeboten.
Die aktuelle Situation trifft auch nicht nur den Osten. Auch diese Behauptung ist eine Verkürzung, die nicht zutreffend ist.
Und allein mit der Beendigung des Krieges, wie von einigen gefordert, freilich ohne Vorschlag wie es gehen soll, wird sich die Situation nicht ändern. Die Welt ist komplexer als die Aneinanderreihung von Schlagwörtern, die vielleicht Massen begeistern aber keine Antworten bieten.
Die Unterwerfung unter ein autoritäres Land wie Russland, indem wesentliche demokratische Freiheiten abgeschafft wurden, wäre das Ende der liberalen freiheitlichen Demokratie. Dass auch Russland ein durch und durch kapitalistisches Land ist, dessen Wirtschaft von Oligarchen bestimmt wird, vergessen die treuen Russlandfreunde mitunter zu erwähnen.
Augustusplatz.
Während die Versammlung von „Leipzig nimmt Platz“ mit mehrere hundert Menschen vom Süden in die Stadt läuft, stehen sich am Augustusplatz die Lager gegenüber. Hier zeigt sich, dass es zwischen vermeintlichen Querdenkern, rechtsextremen „Freien Sachsen“ und organisierten Neonazis keine Unterschiede oder Berührungsängste mehr gibt.
Es werden vielleicht am Ende um die 1500 Personen sein, die auf der Seite des Gewandhauses bei den Rechten stehen und mehr als 2500 Personen, die auf der Opernseite bei den Linken stehen.
Als die Rechten loslaufen wollen, löst sich die Demo von Leipzig nimmt Platz, die zu diesem Zeitpunkt strategisch am kleinen Willhelm Leuschner Platz Aufstellung bezogen hat, buchstäblich in Luft auf und die Teilnehmer*innen strömen auf den Ring und besetzten die Spuren des Rings.
Damit ist der Promenadenring gesperrt. Die Rechten müssen nach wenigen Metern wieder umkehren, zurück zum Augustusplatz laufen.
Am Rande kommt es mit einzelnen Rechtsextremen zu Auseinandersetzungen. Freund*innen, werden durch die Nacht gejagt.
Die Lage in der aufkommenden Dunkelheit ist unübersichtlich, dynamisch und verworren.
Weder gibt es am Ende eine „Volks- oder Querfront“, auch wenn sich einzelne Parolen ähneln und Erklärungsansätze gleichen.
Aber der Grad ist schmal, sehr schmal.
Leipzig hat einmal mehr deutlich gemacht, dass Rechtsextremismus nicht unwidersprochen bleibt.
Um so wichtiger es ist, dafür zu streiten, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergeht, dafür zu streiten, dass alle Menschen soziale Teilhabe bekommen und sich leisten können, umso wichtiger bleibt es auch, jegliche Versuche von Demokratiefeinden die Themen zu nutzen, konsequent zurückzuweisen.
Für eine solidarische Gesellschaft, ohne Nationalismus, ohne Hass. Einfachen Antworten widerstehen, Feindbilder überwinden.