Manche Sachen sind schwer verdaulich und liegen noch danach schwer im Magen. Der Leipziger Stadtrat hat gestern 1,5 Stunden über 200 Meter Fahrradspur gestritten. Eine Debatte war es nicht, eigentlich sollte es eine Fragestunde sein.
Sie fiel unsäglich aus. Zwischendrin fast tumultartige Szenen, dazwischenrufen, Beleidigungen, Geschäftsordnungsanträge wegen 200 m Radspur.
Der Erkenntnisgewinn ist marginal aber der Zuschauer wendet sich mit grausen ab.
Man kann zur Maßnahme unterschiedliche Meinungen vertreten. Alles legitim. Man kann das richtig oder falsch finden. Darüber kann man streiten.
Stattdessen wurde ungefähr 5 mal von unterschiedlichen Menschen gefragt, ob es sich um einen Unfallschwerpunkt handele. Bei mehr als 15 Unfällen pro Jahr, nach der Statistik der Polizei, ist das so und 90 Prozent davon durch KfZ verursacht.
Es gibt ein Urteil. Dieses Urteil ordnet an, dass ein Großteil der Schilder zum Thema Fahrrad fahren am Ring rechtswidrig sind und in der Folge abzunehmen sind, so dass Fahrräder, was der Regelfall ist, auf der Straße geführt werden müssen.
Entsprechend hat der Stadtrat bereits letztes Jahr beschlossen, dass eine Neuordnung der Verkehrssituation erfolgen soll. Dabei soll geprüft werden, ob eine Fahrradspur auf dem Ring zu legen ist und soweit wie möglich umgesetzt werden.
Heißt: der Stadtrat war beteiligt und hat das beschlossen, auch wenn einige plötzlichen Gedächtnisverlust vortäuschen.
Aber es geht nicht um Fakten oder Argumente. Es geht um den Kulturkampf der inszeniert wird. Fahrräder gegen Autos gegen Fußgänger.
Die meisten Menschen sind multimodal unterwegs und nutzen mehrere verschiedene Verkehrsträger.
Es geht im Kulturkampf nicht um Argumente, es geht darum zu vermitteln, dass es im aktuellen Fall gegen Autos geht. Kulturkämpfe kann man nicht gewinnen. Sie dienen dem Wahlkampf und der Spaltung der Gesellschaft.
Es geht dann nicht mehr um Lösungen oder Alternativen. Diejenigen, die sich am meisten aufregen bringen nämlich genau das nicht: Lösungen oder Alternativen. Die Alternative, dass alles so bleibt wie es ist, ist keine und rechtlich nicht möglich.
Am Ende spricht der Oberbürgermeister ein Machtwort und sagt, dass es auch um das Große und Ganze gehe. Dass es eben nicht normal ist, dass Besucher, die aus dem Bahnhof kommen direkt an einer quasi 4 spurigen Autobahn stehen, während sich Fahrräder durch die Fußgänger durchschlängeln.
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DIe Situation ist bekannt und man kann sie nicht negieren, außer es geht um andere Erwägungen.
Ein Stück Provinztheater aus dem Tollhaus. Mehr als 1 Jahr vor der Wahl kommt die Diskussionskultur im Stadtrat auf einem Tiefpunkt an.
Um dieser Provinzialität genüge zu tun hat man auch noch beschlossen, dass künftig 1 Jury über die Vergabe eines Platzes an einen Zirkus entscheiden soll.
Offenbar wollen einige künftig bei jeder neuen Ampelschaltung und jeder Platzvergabe mitreden um das eigene Klientel bedienen zu können.
Schwer ertragbar alles. Großstadt? Weltstadt? War Leipzig nie so ganz aber der Größenwahn war immer ein bisschen liebenswürdig.
Gestern hat der Stadtrat gezeigt, dass man tiefste Provinz ist mit allem was dazu gehört, bis zu rassistischen Untertönen.