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Die Stadt will eine neue Fahrradspur auf dem Ring einrichten. Die Diskussion läuft heiß und die Meldungen überschlagen sich. Stadträt*innen der LINKEN bringen das Wort der „Fahrradlüge“ auf, dass dankend von der BILD übernommen wird. Heute kündigt die CDU an eine Klage prüfen zu wollen.
In den Kommentarspalten kochen die Emotionen.
Was ist eigentlich los?
Die Fakten:
Die Leipziger Innenstadt wird umgeben vom sogenannten Promenandenring- einem Straßenband, dass in den inneren und äußeren Ring geteilt ist und das an einigen Stellen jeweils bis zu 4 spurig läuft.
Ursprünglich war dort die Richtgeschwindigkeit Tempo 40 angeordnet, so dass Fahrradfahrer faktisch ausgeschlossen waren. Mit der Novellierung der StVO (2009) dürfen innerorts keine Richtgeschwindigkeitsschilder mehr aufgestellt werden dürfen. Faktisch mussten diese entfernt werden. In der Folge ordnete die Stadt daher an weiten Teilen des Rings die Führung von Fahrrädern auf gemeinsamen Fuß und Radwegen an und untersagte an vielen Stellen ausdrücklich das führen von Fahrrädern auf der Fahrbahn.
Grundsätzlich gilt, dass Fahrräder immer auf der Straße zu führen sind und nur bei dem vorliegen einer besonderen Gefahr ausnahmsweise eine Radwegbenutzungspflicht oder ein Verbot angeordnet werden darf.
Ein Bürger hatte mit Unterstützung des ADFC Leipzig geklagt und 2018 letztlich vor dem OVG Bautzen mit meiner Unterstützung Recht bekommen: Die Anordnungen am Ring waren rechtswidrig.
Entsprechend erklärte die Stadt nunmehr das Urteil beachten zu wollen und umzusetzen. Dies dauerte allerdings.
Dazu kam eine Petition die forderte, dass die Verkehrsführung vor dem Bahnhof neu geordnet werden soll und ggf. eine Fahrradspur auf dem Ring eingefügt werden soll. Diese Petition fand eine Stadtratsmehrheit.
Nunmehr hat die Stadtverwaltung erklärt, dass man 2 der 4 Spuren vor dem Hauptbahnhof Nordseite herausnimmt und dafür eine Fahrradspur dort anlegt. Dies auch um das Urteil umzusetzen, der Petition Rechnung zu tragen und einen Unfallschwerpunkt zu minimieren. Auch die Ampelschaltungen sollten angepasst werden. Die Konfliktlage von Fußgängern und Fahrradfahrern vor dem Hauptbahnhof wird genommen. Fußgänger bekommen mehr Aufstellfläche, Fahrräder werden rechtskonform auf der Straße geführt, die Spurwechselkonflikte durch 4 KfZ Spuren reduziert.
Aufstand der Populisten.
Bei der Wahl der Fortbewegungsmittel werden wir schnell sehr empfindlich und niemand will sich vorschreiben lassen, wie mensch sich zu bewegen hat. Dazu kommt die Ideologiegetriebene Mobilitätsdebatte, die zu einem Verlust an Sachlichkeit führt. Entsprechend wallte die Aufregung hoch. Die LINKE beklagte wortreich nicht informiert zu sein, obwohl sie es war und sprach von der Fahrradlüge. Außerdem grub man die Idee des mittleren Rings wieder aus und damit die Vorstellung außerhalb des Zentrums Tangentialverbindungen herzustellen. Man forderte nicht etwa, dass bevor die Möglichkeit für Autofahrer eingeschränkt werden, andere Mobilitätsformen aufgewertet werden müssen sondern einfach nur eine Ausweichmöglichkeit für Autofahrer. Also die Autospur darf erst dann weg, wenn es irgendwo eine andere Möglichkeit für Autofahrer gibt. So kann man die Verkehrswende auch beerdigen.
Die CDU fantasierte in Verbund mit den Kammern wieder Staus herbei und drohte Klage an. Die Wellen schlagen sehr hoch.
Rechtliche Überlegungen.
Grundsätzlich sind straßenrechtliche Anordnungen Aufgabe der Verwaltung und somit ist der Stadtrat nicht zu beteiligen. Die Einrichtung oder Verbreiterung eines Fahrradwegs setzt keine Teileinziehung der Straße voraus.
In den Grenzen der straßenrechtlichen Widmung gilt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Vorrang des Straßenverkehrsrechts (aus Verfassungsblog). Während das Straßenrecht als Teil des öffentlichen Sachenrechts das Straßenland in Form von Widmungen, Entwidmungen und Teileinziehungen aufteilt und dem Gemeingebrauch öffnet bzw. entzieht, regelt und ordnet das Straßenverkehrsrecht als sachlich begrenztes Ordnungsrecht die Ausübung dieses straßenrechtlich festgelegten Gemeingebrauchs innerhalb dessen Grenzen (grundlegend zur Abgrenzung BVerfG, Beschluss vom 9.10.1984 – 2 BvL 10/82). Anders als eine Fahrradstraße schließt ein Fahrradweg keine Benutzungsart vollständig von der (gesamten) Straße aus. Vielmehr wird nur der in den Grenzen des Gemeingebrauchs stattfindende Verkehr neu geregelt, so dass eine straßenrechtliche Teileinziehung nicht erforderlich ist.
Auch auf die normalerweise übliche aufwendige Verkehrsplanung kann im Einzelfall verzichtet werden. Üblicherweise werden mit Anordnungen nach § 45 StVO zwar bereits bestehende formelle oder informelle Planungen umgesetzt. Rechtlich notwendig ist das aber nicht.
Ergo keine Beteiligung. Und auch im Einzelfall kein Klagerecht. Um klagen zu können müsste Klagebefugnis gegeben sein und damit die Möglichkeit im eigenen Recht verletzt worden zu sein. Wo aber soll das herkommen. Die CDU Fraktion war als Teil des Stadtrates nicht zu beteiligen und einen individuellen Anspruch auf fehlerfreies arbeiten der Verwaltung gibt es nicht.
Es reicht aber aus um ordentlich die Backen aufzublasen und Schaum zu schlagen. Es ist halt Vorwahlkampf und DIE LINKE; CDU und AFD werben offenbar um die sich zu kurz gekommen fühlenden Autofahrer.
Ergebnis:
Viel Wind um gar nichts. Die Situation vor dem Hauptbahnhof ist für alle Verkehrsteilnehmer unbefriedigend. Fußgänger haben zu wenig Platz und teilen sich diesen derzeit noch mit Fahrradfahrern. Viele Besucher wissen aber gar nicht, dass auf dem Fußweg auch ein Radweg angeordnet ist, so dass es immer wieder zu Beinaheunfällen kommt. Eine Neuordnung aus diesem Grund ist daher seit langer Zeit dringend notwendig.
Warum überall Autos Vorrang haben sollen erschließt sich auch nicht. Aber um Wahlkampf zu machen, jenseits von Argumenten und Sachlichkeit, reicht es allemal.