Der 23. März ist ein Schicksalstag.
Heute vor 90 Jahren tagte der deutsche Reichstag in der Krolloper. Der einzige und wesentliche Tagesordnungspunkt war das Ermächtigungsgesetz der NSDAP und damit das Ende des demokratischen Staates.
In den Räumen stand die SA vor der Krolloper die SS und hinter dem Rednerpult hing erstmalig die Hakenkreuzfahne. Hitler benötigte eine 2/3 Mehrheit, nachdem die NSDAP bei den Wahlen Anfang März die absolute Mehrheit verfehlt hatte.
Das was nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten folgte, war Verhaftung der Kommunisten und die Einschüchterung von Gegnern des Nationalsozialismus. Es folgte der Terror, der ganz demokratisch an die Macht gekommen war. Deswegen sollte man sich eben auch klar machen, dass die Demokratie auch deswegen fragil ist weil auch ihre Gegner die gleichen Rechte haben. Und merken wir uns, dass nicht jede Partei, die demokratisch gewählt werden kann, deswegen demokratisch ist.
Am Ende in der Krolloper, Tagungsort da der Reichtstag abgebrannt war, stimmten nur die Sozialdemokraten gegen das Ermächtigungsgesetz. Das Zentrum, die Liberalen und andere bürgerliche Parteien stimmten zu. Die noch junge Demokratie erlosch aus einem Mangel an Demokraten.
Die letzte freie Rede in der Demokratie hielt der Vorsitzende der SPD Fraktion, dieser alt ehrwürdigen Arbeiterpartei, Otto Wels:
„…
Niemals noch, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht, und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll. Eine solche Allmacht der Regierung muß sich um so schwerer auswirken, als auch die Presse jeder Bewegungsfreiheit entbehrt.
[…] Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. […] Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen.
Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre ungebrochene Zuversicht verbürgen eine hellere Zukunft.“
Am Ende der Rede randalierten die Nationalsozialisten, Sieg Heil Rufe folgten. Trotz der drohenden Verfolgung hatten die Sozialdemokraten Stand gehalten und doch die Katastrophe nicht verhindern können.
Es ist wichtig sich daran zu erinnern, sich damit auseinanderzusetzen warum ein freiheitlicher Staat niemals zu viel Macht auf sich konzentrieren sollte und welche bedeutsame Rolle eine unabhängige Justiz und Presse hat.
Dies ist umso wichtiger, da gerade in vielen Ländern der Nationalismus auf dem Vormarsch ist und Presse- und Justizfreiheit eingeschränkt wird, siehe Ungarn, siehe Polen, siehe auch Israel und ohnehin Russland.
Erinnern wir uns also daran, wie schwach eine Demokratie sein kann, wenn ihr Menschen mit Haltung und Mut fehlen und welche Gefahr der Nationalismus in sich birgt. Gerade in Krisenzeiten nimmt die Zustimmung zum Autoritarismus zu.
Erinnern wir uns daran. Erinnern wir uns an die letzte freie Rede der noch jungen Weimarer Demokratie, die an diesem Abend verstarb.
Wehren wir den Anfängen und treten dem Nationalismus und denen entgegen, die Hand an die Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Justiz legen wollen. Schlagen wir die Kräfte des Autoritarismus zurück auf das es nie wieder geschehe.
Erfühlen wir den Schwur von Buchenwald jeden Tag mit neuem Leben: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Nie wieder!