Die große Spannung.
Die Fliehkräfte der Gesellschaft nehmen in der vierten Welle zu. Die Gereiztheit allerorten ist verständlich und gefährlich. Geimpfte gegen Ungeimpfte. Nicht immer ist es so einfach.
Fakt ist, die Zahlen steigen und sie steigen schnell.
Zu den beliebten Fehlschlüssen einerseits gehört, dass damit der Nachweis erbracht sei, dass die Impfungen nicht helfen weil doch viel mehr Menschen geimpft seien als vor einem Jahr.
Richtig ist, dass wir letztes Jahr viel härtere und einschränkendere Maßnahmen hatten als dieses Jahr. Der Anstieg der Zahlen dürfte damit vor allen Dingen mit den Fragen der Kontakte zusammenhängen.
Nicht alle, die sich bislang nicht impfen liessen sind deswegen Impfverweigerer oder Querdenker. Die jetzt vorgeschlagenen Schritte suggerieren aber genau das. Man muss nur genügend Zwang ausüben um die letzten zu motivieren. Das halte ich für gefährlich.
Richtig erscheint vielmehr, dass die Impfkampagne bisweilen unvollständig ist. Dass die Idee Impfteams einzusetzen nicht konsequent durchgezogen wurde.
Ich kann es an meinem Beispiel nehmen. Ich bin kein Impfgegner aber meine eigene Gesundheit betrachte ich meist als nachrangig weil ich die Prioritäten woanders setze.
Als ich versucht habe im Frühjahr mir einen Termin zu machen, funktionierte dies nicht. Nach mehreren erfoglosen Versuchen habe ich es abgebrochen bis irgendwann die Hausärzte impfen konnten und zufällig ein Termin frei wurde.
Kein Einzelfall.
Es fehlt bisweilen an Verfügbarkeit von Terminen und an einer breiten nachvollziehbaren Aufklärung.
Hinzu kommt, dass falsche Hoffnungen geweckt wurden. Es ist eben nicht so, dass die Impfung alle Probleme lösen kann. Richtig ist, dass die Impfung die Wahrscheinlichkeit von schweren Verläufen deutlich reduziert und das die Impfung, wie bei anderen Impfungen auch, regelmäßig aufgefrischt werden muss. Wenn nur genügend Menschen geimpft wären, heißt eben dann auch nur, dass im jetzigen Gesundheitssystem ausreichend Plätze für die schweren Fälle vorhanden wären.
Auch im Krisenmanagement sind Fehler gemacht wurden. Die Kapazitäten in den Gesundheitsämtern und Krankenhäusern hätten dauerhaft erhöht werden müssen. Der auf Effizienz gerichtete kapitalorientierte Ansatz ist im Gesundheitsbereich ein Problem. Es ist notwendig und richtig Kapazitäten vorzuhalten, auch wenn das unwirtschaftlich erscheint, um auch in Krisensituationen handeln zu können.
Die Idee der Durchökonomisierung des Gesundheitssystems, ausgerichtet auf Kostensparung, funktioniert in der Krise als Katalysator selbiger und das auf Kosten der Menschen im Gesundheitssystem. Weder Applaus, noch einmalige Zahlungen lösen hier das strukturelle Versagen.
Auch wann welche Maßnahmen getroffen wurden und wie, erscheint nicht logisch nachvollziehbar und führt zu Spannungen.
Einerseits dürfen Fußballspiele im Stadion mit nahezu voller Auslastung stattfinden, andererseits sind eine Reihe anderer Veranstaltungen abgesagt.
Weihnachtsmärkte finden zum Teil statt, wenn auch unter Alkoholverbot, obwohl sich Menschen in einem begrenzten Raum, wenn auch unter freiem Himmel treffen, andere Veranstaltungen werden abgesagt.
Eltern, die die Schulen als Versuchsstation betrachten aus Angst um die Gesundheit ihrer Kinder. Andere, die schon das Maske tragen als nicht zu rechtfertigenden Eingriff betrachten.
Der Eindruck, dass bestimmte Lobbygruppen einen größeren Einfluss hatten bei den Regelungen lässt sich nicht von der Hand weisen.
Und das ist bitter.
Nach knapp 2 Jahren Pandemie ist die Erschöpfung einerseits und damit andererseits auch die Anspannung greifbar.
Dass ist in dieser Situation eine Bundesregierung abgewählt ist, aber noch im Amt und die andere noch nicht zuständig ist, macht die Situation nicht einfacher.
Alles was uns bleibt ist daher einen Umgang zu finden. Die holzschnittartigen Zuschreibungen zu vermeiden und der Versuchung zu widerstehen, die Welt in Gut und Böse zu unterteilen.
Es kann nur eine Mahnung an uns selbst sein. Wenn ich ehrlich bin ist meine Hoffnung gering.
Aber egal wo wir stehen oder nicht, sollte es im Interesse eines jeden Menschen so zu handeln, dass die Gesellschaft nicht noch weiter auseinandertreibt.