Gestern wurde bekannt, dass das Land Berlin die Durchführung der sogenannten Demo „Für die Freiheit“ verboten hat. Die Diskussion überschlägt sich seitdem.
In den Netzwerken der Corona Leugner wird zum „Sturm auf Berlin“ aufgerufen, die Anwendung von Gewalt wird diskutiert. Eine Gruppe von Personen die Rechtshilfe leisten will ruft zum Missbrauch des Versammlungsrechts auf, so dass beim Land mehr als 700 Anmeldungen eingehen.
Andererseits zeigen sich viele über das Verbot erfreut.
Einige Anmerkungen, mit Abstand und in Ruhe.
Versammlungsfreiheit.
Die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG ist eines der wesentlichen Grundrechte in der Demokratie, schützt sie doch das Recht der kollektiven Meinungskundgabe und damit auch vor Vereinzelung einerseits und ist damit andererseits notwendiger Bestandteil einer Demokratie, deren Kern der Meinungsaustausch ist.
Geschützt werden damit zunächst einmal alle Meinungen so abseitig sie auch sein mögen oder im Ernstfall auch verfassungsfeindlich sind.
Ein Verbot ist daher immer nur ultima ratio, also letztes Mittel. Und gerade in einer Demokratie, kann ein Versammlungsverbot niemanden erfreuen. Jedenfalls dann nicht, wenn man die Freiheitsrechte ernst nimmt.
Linke Kritik.
Erstaunlich ist auch hier, wie viele vermeintlich linke oder liberal gestimmte Menschen das Verbot feiern oder beklatschen.
Aus einer dezidiert linken Sicht, kann es niemals der Anspruch sein, dass der Staat etwas regelt oder verbietet. Linke, die das Verbot also abfeiern und zwar mutmaßlich deswegen, da in Berlin die gesamte rechte Szene sich in einen „Vorrevolutionären Rausch“ begeben will, unterliegen einem fatalen antiemanzipatorischen Fehlschluss.
Die Auseinandersetzung mit rechtsextremen Einstellungen wird nicht über Verbote ausgefochten sondern durch eine gesellschaftliche Haltung, die ihrerseits die Ablehnung davon deutlich machen muss. Das ständige Rufen nach dem Staat, ist eine Ohnmachtserklärung einer Zivilgesellschaft.
Das Demoverbot.
Gem. § 15 VersG können Versammlungen zur Gefahrenabwehr von Auflagen abhängig gemacht oder im absoluten Ausnahmefall verboten werden. Alle getroffenen Maßnahmen müssen dabei verhältnismäßig sein, was bedeutet, dass stetes das mildeste Mittel anzuwenden ist.
So liest sich stellenweise auch die Begründung zum Verbot. Argumentiert wird mit der erwartbaren Teilnehmer*innenanzahl, dem Geschehen in der Vergangenheit und mit dem erwarteten Verhalten.
Maßgeblicher Punkt ist dabei die derzeitige Pandemiesituation einerseits, die europaweite Anreise andererseits und der Punkt, dass der Veranstalter selber dazu aufruft keine Masken zu tragen.
Das mildere Mittel um eine Übertragung der Infektion einzugrenzen, wäre eine MNS. Genau das empfiehlt der Veranstalter nicht zu tun. Entsprechend kann die Behörde davon ausgehen, dass das mildere Mittel nicht umgesetzt wird und dies auch auf Erkenntnisse der Vergangenheit stützen.
Im Regelfall ist erst die Auflage festzusetzen und bei Verstoß gegen die Auflage, kann dann ein die Auflösung folgen. Auch das muss immer der Ausnahmefall sein.
Hier wartet die Behörde nicht ab sondern wird präventiv tätig, wozu der Veranstalter selber beigetragen hat.
Ist nämlich der Veranstalter mit einer Auflage nicht einverstanden, dann muss er den Rechtsweg bestreiten und isoliert gegen die Auflage klagen. Der Veranstalter tut dies im vorliegenden Fall nicht und schafft damit selber die Grundlage für ein Verbot.
Kritik.
Irritierend ist das Statement des Innensenators, der auch mit politischen Erwägungen in die Öffentlichkeit tritt und deutlich macht, dass er Berlin nicht dem Aufmarsch von Rechtsextremen, Reichsbürgern und Verschwörungshanseln aussetzen will. Sollte sich das auch im Verbot niedergeschlagen haben, wäre das Verbot aufgrund eines Ermessensfehlers rechtswidrig. Denn diese Überlegungen sind nicht zulässig. Nicht, niemals nie, darf die Behörde die Meinung politisch bewerten.
Das wäre ein eklatanter Verstoß. Das Statement mag im Einzelfall nachvollziehbar sein, törricht ist es trotzdem.
Ebenso wie der Zeitpunkt. Zwar werden Auflagen regelmäßig erst wenige Tage vor der eigentlichen Versammlung verhangen, da sich der Sachverhalt zum Ereignis hin verdichtet, die hier von der Behörde zugrunde gelegten Erwägungen sind aber bereits seit geraumer Zeit bekannt.
So oder so, bleibt ein ungutes Gefühl zurück.
„Der Sturm“
Die Demonstration selber war und ist für die rechte Szene in der Bundesrepublik von angefangen von der militant nationalsozialistischen Kaderpartei 3. Weg, über NPD, den verfassungsfeindlichen Identitären bis hin zum politischen Arm der Rechtsextremisten der AfD, der Versuch als Nutzer der Bühne der vermeintliche Querdenker und Corona Zweifler, eine „vorrevolutionäre“ Stimmung zu erschaffen und damit das „System“ ins wanken zu bringen.
Es geht nicht um das Virus, es geht um alles. Dass die vermeintlichen Querdenker sich nicht deutlich davon distanzieren sondern dies bewusst mit einkalkulieren diskreditiert die Zweifler einmal mehr. Wer mit Verfassungsfeinden sehenden Auges demonstriert und dies billigend in Kauf nimmt, macht sich mit deren Anliegen gemein.
Was in den Netzwerken folgt ist das herbeisehnen einer Revolution. Man fühlt sich gegängelt, ausgegrenzt, unterdrückt, wähnt sich in einer Diktatur und will trotzdem nach Berlin fahren und sich bewaffnen.
Man sollte die Gefahr ernst nehmen. Die Gefahr einer weiteren Radikalisierung einzelner mit den bekannten Folgen, ist da.
Querdenken.
Es bleibt dabei, dass die Verständigung über Einschränkungen und Umgang mit der Pandemie durch die Gesellschaft zu führen ist. Es ist beängstigend wie viele sich unwidersprochen und kritiklos mit allen Regelungen arrangieren und nach weiteren Einschränkungen rufen. Fassungslos macht demgegenüber die Anzahl derjenigen, die meinen sich mit Youtube – Videos zu Virologen ausbilden zu können und ohne Quellenkritik sich im Rausch der eigenen affirmativen Peer Group in einer Diktatur wähnenc
Das alles ist insgesamt schwer zu ertragen und lässt insgesamt an dieser Gesellschaft zweifeln.
Es fehlt Reflektion und Souveränität. Gegen Untertanengeist und falsche Propheten.
Für Solidarität und emanzipatorische Kritik an den herrschenden Zuständen