Lieber MDR – Mitteldeutscher Rundfunk,
wir müssen reden. Ganz offen und aufrichtig, so von Demokrat zu eigentlich demokratischer Institution. Es ist eigentlich ein Gewinn, dass es unabhängige Medien in Deutschland gibt. Unabhängig von wirtschaftlichen Interessen. Ich finde das gut, auch wenn viele an euch und der Ausrichtung zweifeln und auch ich sagen muss, dass euer Programm Geschmackssache ist. Aber über Geschmack kann man streiten.
Ich finde Kritik gehört dazu. Aber mit dem was ihr jetzt macht, geht ihr dann doch ein wenig zu weit, finde ich.
Ihr wollt das Geschehen in Chemnitz aufarbeiten. Quasi ein Jahr danach. Das ist gut und wichtig und es ist auch richtig alle Seiten zu Wort kommen zu lassen. Das hält die Demokratie aus.
Aber deswegen einen Ordner von Pro Chemnitz auf ein Podium zu setzen geht doch dann ein bisschen weit. Das ist der Mann, der Journalisten bedroht hat, bei Aufzügen der Neonazipartei 3. Weg dabei ist und ganz offen rechtsextrem auftritt. Ich finde überzeugten Neonazis müssen wir kein Podium bieten und ihr auch nicht, schon allein deswegen weil dies zur Normalisierung beiträgt. Ich will immer noch nicht in einem Land leben, wo Menschenfeindlichkeit normal ist auch wenn bei der kommenden Landtagswahl ein Viertel der Menschen das anders sehen.
Der betroffene Ordner will mich übrigens dafür anzeigen, dass ich Ihn einen Neonazi nenne. Das Neonazis Neonazis genannt werden wollen wäre auch das erste mal. Das er sich vielleicht nur als besorgter Bürger fühlt, hängt auch damit zusammen, dass ihr im ein Forum gebt, so als wäre Hass ganz normal und völlig ok.
Vielleicht muss man euch daran erinnern, dass eure Kolleg*innen und Kollegen regelmäßig auf Nazidemonstrationen angegangen und attackiert werden.
Das auch weil etwa die AfD immer wieder von „Lügenpresse“ spricht und damit die Argumentationsgrundlage für spätere Gewalt liefert. Ein Zusammenhang, der euch vielleicht entfallen ist. Übrigens ist das gegenüber den Journalist*innen die auf der Straße immer wieder bedroht werden nicht fair.
Ihr wollt mit Höcke, Kopf der faschistischen Plattform „Der Flügel“ innerhalb der AfD ein Sommerinterview machen. Ihr begründet das damit, dass die AfD ja eine Volkspartei sei und eure Aufgabe es ist so etwas auch abzubilden. Fragen können unter Angabe des Klarnamens und des Wohnortes auch eingereicht werden, wenn man damit einverstanden ist, dass die Daten auch Höcke bekommt. Bin ich der Einzige, der hier innerlich zusammenzuckt?
Eure Aufgabe ist es Entwicklungen und Geschehnisse abzubilden. In einer Demokratie macht man das mit Haltung. Gerade weil ihr unabhängig seid und als unabhängige Medien einen Auftrag habt, wäre es notwendig die Demokratie zu stärken und nicht kommentarlos ausgerechnet B.Höcke ein Forum zu bieten.
Übrigens abbilden? Mit dieser Argumentationskette hättet ihr auch diesen A.Hitler mit einem Sommerinterview bedacht gerade weil er ja gewählt wurde. Ganz demokratisch in einem demokratischen Land, dass dann leider nicht mehr demokratisch war.
Wahrscheinlich habt ihr das alles anders gemeint. Mir persönlich ist es übrigens scheissegal ob neben mir alle den rechten Arm heben. Ich mache das trotzdem nicht. Ist halt auch eine Frage der Haltung und des Charakters.
Ich finde es gibt schon ausreichend Leute, die Grund- und Menschenrechte ablehnen und die Demokratie, auch wenn sie etwas anderes behaupten, abschaffen wollen. Dazu müsst ihr nicht auch noch beitragen und das als eigentlich demokratisches Medium.
Ich finde das alles beunruhigend und wenig lustig, gerade weil bei euch viele Menschen arbeiten, die einen klasse Job machen, was mal gesagt werden muss.
In dem Sinne, geht einfach mal in euch.
Ein wirklich besorgter Demokrat
Die Antwort:
Lieber Herr Kasek,
Danke für Ihre ehrlichen Worte.
Der MDR stellt seinen Publikumsdialog zur Preview der Doku „Chemnitz
– Ein Jahr danach“ neu auf und bietet eine Gesprächsrunde mit Machern des Films sowie Programmverantwortlichen an. Nach verschiedenen Absagen, u. a. der Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig, war die vom MDR gewollte Konstellation aus Sicht des Senders nicht mehr sinnvoll umzusetzen.
Ursprünglich hatte der MDR auf ein Podium mit verschiedenen Protagonisten und Gesprächspartnern gesetzt, um die gesamte Bandbreite des Films aus verschiedenen Perspektiven zu spiegeln.
Zugesagt für die Diskussionsrunde hatten neben Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) Professorin Olfa Kanoun (TU Chemnitz), MDR-Programmdirektor Wolf-Dieter Jacobi, Margarete Rödel (Grüne
Jugend) sowie Arthur Österle (AfD). Die Besetzung der ursprünglich geplanten Podiumsdiskussion zur Doku war für die Panelteilnehmer transparent. Im Vorfeld der Veranstaltung hat der MDR – entgegen anderslautender Medienberichte – alle Gesprächsteilnehmer über die Zusammensetzung des Podiums informiert. Von allen angefragten Protagonisten erhielt der MDR zunächst eine Zusage.
„Wir haben natürlich die kontroverse Debatte um die Besetzung des Podiums verfolgt und auch als wichtige Diskussion wahrgenommen“, so Wolf-Dieter Jacobi. „Wir bedauern die Absagen sehr, da wir gern den breiten Dialog geführt hätten“. Der MDR wird aber an dem Austausch mit dem Publikum festhalten: Die Preview des Films findet wie vorgesehen am 22. August in Chemnitz statt. Im Anschluss kann das Publikum mit Machern und Verantwortlichen des MDR über den Film diskutieren.
Die Doku „Chemnitz – Ein Jahr danach“ geht der Frage nach, wie sich das Leben für die Menschen in der Stadt nach den umstrittenen Vorfällen und der Medienberichterstattung Ende August 2018 verändert hat. Der Film lässt Menschen aus verschiedensten Lebenswelten zu Wort kommen und zeigt ihren Alltag. Ausgestrahlt wird die Doku im Ersten am 26. August um 22.45 Uhr.
Sowohl die Doku „Chemnitz – Stadt in Aufruhr“ (2018) als auch der neue Film „Chemnitz – Ein Jahr“ (2019) begleiten Arthur Österle kritisch und machen seine rechtsextremen Verbindungen transparent.
Wie Sie als Jurist und Politiker sicher wissen, sind wir als öffentlich-rechtlicher Rundfunksender zu politischer Neutralität verpflichtet. Seit vielen Jahren interviewt MDR THÜRINGEN Spitzenpolitiker aller im Landtag vertretenen Parteien im Sommerinterview. Seit der Landtagswahl 2014 gehört dazu auch die AfD. Der Fraktionsvoritzende der AfD in Thüringen ist nun mal Herr Höcke. Das Interview-Format ist für alle Politiker gleich: Live-Interview, das über Facebook und über den Web-Stream des MDR ausgestrahlt wird, dazu eine schriftliche Zusammenfassung, einen Radio-Beitrag und eine redaktionell bearbeitete Fassung für die Fernsehsendung MDR-Thüringen-Journal. Damit wir für interessierte Leser größtmögliche Transparenz herstellen, gibt es zu diesem Interview-Format auch ein FAQ:
https://www.mdr.de/thueringen/sommerinterview-politik-thema-100.html
Das Formular um Fragen einzureichen, haben wir überarbeitet. Man muss keine Klarnamen und Adressen angeben und muss auch der Weitergabe der E-Mail-Adresse nicht zustimmen. Es wurden und werden keine sensiblen Daten an Herrn Höcke weitergegeben.
Freundliche Grüße aus der MDR.de-Redaktion