Mit Rechten reden.

Immer wieder wird betont, dass man mit Rechten reden müsse und es darum gehen muss „Sorgen und Nöte“ ernst zu nehmen. Gerne wird dabei auch Toleranz gefordert.

Interessanterweise scheint diese Geschichte eine Einbahnstraße zu sein.

Die Sorge und Nöte derer, die sich Sorge um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft machen, die die Aushöhlung von Grundrechten kritisch sehen und den Faschismus fürchten, werden gerne nivelliert und ausgegrenzt.

Ich zum Beispiel würde gerne mal folgenden Satz von einem hochtragenden Politiker im Ruhestand lesen, der quasi vom Seitenrand souffliert, wie es ja gang und gebe ist, dass man die Sorgen und Nöte der Menschen vor einer Wiederkehr des Faschismus ernst nehmen müsse und auch tolerieren muss, dass es Menschen gibt, die ihren Glauben in den demokratischen Rechtsstaat verloren haben, da dieser immer mehr nach Rechts kippt.

Leider lese ich immer nur von Toleranz gegenüber „Rechten“, weil man doch nicht ein Viertel der Bevölkerung ausgrenzen könne. Das will übrigens auch niemand machen, nur Hass und Menschenfeindlichkeit will man widersprechen dürfen.

Eine endgültige Begriffsverdrehung ist dann erreicht, wenn festgestellt wird, dass wer etwa die Alternative zur Demokratie als faschistisch bezeichnet undemokratisch ist, da er damit einen Teil der Bevölkerung ausschließt.

Die Schlußfolgerung daraus hieße, dass die Bezeichnung „Faschismus“ nicht mehr anhand von Wesensmerkmalen oder Ideologie bestimmt wird sondern anhand der Größenordnung. In dieser Logik kann die „AfD“ dann gar nicht faschistisch sein weil sie ja einen Teil der Menschen vertritt.

Es scheint dabei Mode zu sein, dass in dieser Gesellschaft nicht mehr anhand von Fakten sondern anhand von Befindlichkeiten diskutiert wird. Statt entlang von Fakten und wissenschaftlichen Kriterien werden alternative Wahrheiten postulilliert. Ein Irrlichtern aller Orten. Eine Wahrheit in diesem Sinne gibt es dann nicht mehr sondern die „Wahrheit“ ist dann eine an die Situation und Befindlichkeit angepasste Aussage. Spitzenreiter in der Kategorie ist der amerikanische Präsident, den sich ja auch die AfD zum Vorbild gemacht hat.

Im Übrigen genau das was George Orwell in „1984“ beschrieben hat, was leider auch die wenigsten begreifen. Aber auch das ist ja Mode, also Zitate aus ihrem Kontext zu befreien und fernab ihrer Bedeutung so einzusetzen, wie es gerade einem selber passt.

Mit „Rechten reden“ hat dabei vor allen Dingen zu einer Verschiebung des öffentlichen Diskurses geführt an dem alle irgendwie mitgewirkt haben. Auch die Medien.

Wenig Selbstachtung beweist an dieser Stelle übrigens der MDR, der zu einer Talksendung auch schon mal ein AfD Mitglied und Ordner bei diversen neonazistischen Demonstrationen einlädt. Der Mann war auch an den Demonstrationen in Chemnitz beteiligt und hat dort den Pressevertretern auch direkt gedroht. Nebenbei ist der Mann Mitglied eines vom Verfassungsschutz beobachteten weil verfassungsfeindlich gesinnten Vereins.

Ich frage mich ja manchmal wie das wohl die Menschen finden, die von Neonazis und Rechten angegriffen und ausgegrenzt werden, wenn überall betont wird, dass man doch genau mit diesen reden müsste und das dann auch genauso macht.

Diese mit „Rechten reden“ hat dann auch zur Folge, dass der Eindruck entsteht, dass man wirklich über alles reden könne über Fakten, über Grundrechte und die Demokratie an sich.

Das schöne an der Demokratie ist, was auch die wenigstens begreifen, dass die Demokratie auch ihren Gegner alle Rechte einräumt. In der Tat kann man also über alles reden. Aber ich würde schon erwarten, dass man einen offiziellen Diskurs im demokratischen Rahmen führt.
Nicht alles was straflos gesagt werden kann ist deswegen demokratisch.
Aber diese fein austarierten Nuancen der Verfassungsväter und -mütter scheinen dabei auch zu kompliziert zu sein.

Übrigens mache auch ich mir die Mühe immer wieder mit „Rechten zu reden“, also auch zu widersprechen. Leider ist das wenig fruchtbar.
Als mir letztens ein Bürger schrieb und ich antwortete, dass ich die AfD nach der Faschismustheorie von Griffin als „faschistisch“ einordne, schrieb mir der besagte Herr zurück, dass er sich von einem britischen Professor gar nichts sagen lasse. Sein Argument war:

„War es nicht auch ein Brite, nämlich Winston Churchill der das unschuldige deutsche Volk lieber tot als lebendig sehen
wollte?“

„Die Hetze über die AfD, eine vom Volk gewählte Partei, ist da nur der Anfang. Die heutigen Faschisten finden Sie bestimmt nicht bei der AfD! Und das ist kein Unsinn.“

Dieses Erleben habe ich häufiger. Wenn ich auf die Fakten der polizeilichen Kriminalstatistik hinweise, auf historische Vorgänge oder ähnliches also versuche argumentativ zu widersprechen wird mir recht häufig vorgeworfen, dass ich ja als „Grüner“ ohnehin die Wahrheit verdrehen würde und jeder Diskussion mit mir sinnlos sei.

Übrigens die „NSDAP“ wurde einst auch vom Volk gewählt. Ganz demokratisch. Nach der Lesart der AfD und ihrer Anhänger*innen war sie damit eine demokratische Partei.

Und ich finde, dass das „unschuldige deutsche Volk“ ja schon einmal sehr viel Toleranz im Umgang mit Faschismus bewiesen hat. Offenbar so viel, dass man dieses Experiment gerne noch mal starten würde.

Vielleicht geht es auch nur mir so, auf Feldversuche dieser Art kann ich herzlich verzichten.

Ich bin deswegen übrigens nicht links. Sich im demokratischen Rahmen des Grundgesetzes zu bewegen heißt dezidiert „antifaschistisch“ zu sein. Im Nachkriegsdeutschland als es noch viele Augenzeugen der Geschichte gab, war das übrigens mal der common sense auch wenn überraschend viele Träger des NS Staates auch in der neuen Republik schadlos Karriere machen konnten.

Heute scheint das alles weit weg und vergessen zu sein.

Der besagte Bürger, im obigen Fall, hat mir übrigens geschrieben, dass er nur Augenzeugenbrichten glaube.

Ich weiß nicht welche Tatsachen das sind.
Aber Schuld haben wir letztlich alle.

Autor: juergenkasek

Lebe lieber ungewöhnlich. Rechtsanwalt, Politiker, Aktivist, Umweltschützer, Blogger, Sportler

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