Was geschah in der Nacht in Leipzig.- le0907

 

Kurz vor 22 Uhr kamen die ersten Meldungen aus der Hildegardstr im Leipziger Osten. Anfänglich 20-30 Personen hatten sich spontan entschieden gegen eine Abschiebung zu demonstrieren. Diese Demonstration erhielt rasch Zulauf und wuchs bis auf etwa 4-500 Personen an. Von mehreren Personen vor Ort wurde ich gg 22 Uhr kontaktiert mit der Bitte als Anwalt vor Ort zu erscheinen.

In der Mitte der Strasse stand ein polizeiliches Einsatzfahrzeug, in der die Person, die Abgeschoben werden sollte, sass.
Das Fahrzeug war von Polizeibeamten gesichert. Vor und hinter dem Fahrzeug saßen jeweils Menschen auf der Fahrbahn und etliche standen am Rand auf dem Fußweg.

Die Stimmung war zunächst ausgelassen und friedlich und es wurde in Sprechchören immer wieder die ablehnende Haltung zur Abschiebung zum Ausdruck gebracht. Aus einzelnen Fenstern wurde Musik gespielt, im unteren Teil der Strasse stand eine halbe Wohnzimmereinrichtung, Anwohner brachten Wasser.

Zwischendurch kam es mehrfach zu einem kurzen Gerangel. Auf dem Fußweg wurde eine Spontandemonstration angemeldet und durchgeführt.

Die Polizei entschied sich die Abschiebung durchzusetzen, indem man zunächst ein Ablenkungsmannöver startete und dann Überfallartig eine Polizeikette am Fahrzeug vorbeiführte, die Person aus dem Fahrzeug in die Kette einreihte und dann sehr schnell und konsequent, bedeutet mit Einsatz einfacher körperlicher Gewalt, den Weg frei machte.

Viele Personen sahen nur ein Gerangel. Erst nach und nach verbreitete sich die Meldung, dass die Person nicht mehr im Auto sei.

Bei der Person handelt es sich wohl um einen kurdischen Syrer, der nach Spanien ausgewiesen werden soll, da er dort zunächst vor 2 Jahren zuerst Asyl beantragt haben soll. Die Familie machte deutlich, dass sie keine Eskalation wollte. Es hieß, dass bei der Stürmung der Wohnung die Mutter verletzt wurde. Der anwesende Vater konnte im Verlauf der Nacht nicht mit seinem Sohn sprechen.

Gegen 1:30 Uhr wurde die Spontanversammlung durch den Anmelder beendet. Bis dahin war es ein weitgehend friedlicher Abend, der ein deutliches Zeichen gegen die sächsische Abschiebepolitik gesetzt hatte.

Kurz vor 2 Uhr entschied sich dann die Polizei, die immer noch gut 300 Personen zur Seite zu drängen um den immer noch umschlossenen Einsatzwagen frei zu bekommen.

Hier wurde auch sehr schnell, ohne Vorwarnung Pefferspray grossflächig eingesetzt, was zur Eskalation der Situation führte und aus einer friedlichen Spontandemonstration entwickelten sich riots, da der Gewalteinsatz der Polizei mit Gewalt, insbesondere mit Bewurf beantwortet wurde.

Was dann in den nächsten Minuten geschah vermag ich nicht genau zu sagen, da ich zentral Pfefferspray in die Augen bekam und von Anwohnern zur Erstversorgung in ein angrenzendes Haus geschafft wurde. Eine Reihe von Personen wurden so verletzt.

Kurze Zeit später war die Strasse mit Müll und Scherben übersät und immer wieder stürmten Einsatzkräfte der Polizei in die Strasse und schubsten Menschen durch die Gegend, auch völlig Unbeteiligte.

Gegen 2:30 Uhr entspannte sich die Situation wieder.

Die Eskalation hätte verhindert werden können. Es ist unbegreiflich warum die Polizei sich entschied, die Situation derart eskalieren zu lassen. Mit etwas mehr Zeit und dem Wissen, dass die Person nicht mehr vor Ort war, wäre zu erwarten gewesen, dass sich in der Nacht mehr und mehr Menschen zurückziehen. Die Strasse mit massiven Polizeieinsatz frei zu bekommen, war aus meiner Sicht nicht angezeigt.

So bleibt am Ende ein Gefühl der Bestürzung zurück. Auf der einen Seite gab es das wichtige Zeichen einer übergreifenden Solidarität und immer wieder wurde gerufen: „wir sind hier, wir sind laut, weil man uns den Nachbarn klaut“, auf der anderen Seite die Gewalt.

Die meisten Menschen, die gestern demonstrierten waren Bewohner des Viertels, Bekannte und Nachbarn.

Am Ende keine gute Nacht, die viele Fragen hinterlässt.

Autor: juergenkasek

Lebe lieber ungewöhnlich. Rechtsanwalt, Politiker, Aktivist, Umweltschützer, Blogger, Sportler

12 Kommentare zu „ Was geschah in der Nacht in Leipzig.- le0907“

  1. Also die Demonstration fand auf dem Gehweg friedlich statt und wurde beendet. Soweit sehe ich noch kein verwerflkiches Handeln irgendeiner Partei.
    Über die Laute Musik nachts, da kann man schon über Ruhestörung reden. Über das Sperren der Strasse, da befinden wir uns imme rnoch im Bereich der Verkehrsgefährdung.
    Vor allem befinden wir uns aber in der Behinderung von Amtshandlungen.
    Es ist die Frage, ob die Polizei nicht aufgefordert hat zu gehen bzw. Platzverweise ausgesprochen hat. Fraglich ist auch, ob nicht von einzelnen bereits Angriffe auf Polizisten erfolgt sind, dann ist es durchaus angemessen die Veranstaltung auch unter EInsatz von Pfefferspray aufzulösen.
    Man muss jetzt auch bedenken, dass die Versammlung erhebliche Polizeikräfte gebunden hat, die z.B. Verbrechen hätten anderswo in Leipzig bekämpfen können.
    Fakt ist hier wurde eine Person rechtmässig nach Dublin3 nach Spanien zurückgeführt, wie es das Recht vorsieht und Spanien ist ein sehr sicheres Land.

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    1. Man hört nur Gutes. Man sollte mal ne Umfrage starten: Wo konkret fühlt der einzelne Bundesbürger die Bereicherung durch Flüchtlinge?

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    2. Das ist jetzt aber sehr deutsch. Nur weil ein paar Leute auf der Straße sitzen und singen, muss man nicht gleich zum Pfefferspray greifen. Ruhestörung hin oder her…

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  2. Warum muss man denn als Rechtsanwalt die Durchsetzung des Rechts verhindern, lieber Herr Kasek?
    Wenn ein Gericht zu der Entscheidung gekommen ist, dass der Mann keinen Aufenthaltstitel in Deutschland hat, dann ist es doch legitim, dass die Polizei ihn abholt und die Abschiebung durchfuehrt. Da muss man doch keinen grossen Protest starten.
    Solche Aktionen schaden dem Rechtsstaat und das Recht auf Asyl wird in der breiten Bevoelkerung nur dann akzeptiert, wenn auch konsequent abgeschoben wird. Ansonsten kann man sich das Asylrecht schenken und einfach jeden ins Land lassen. Dass dies bei begrenzten Ressourcen und Finanzen eben nicht moeglich ist, sollte eigentlich jedem einleuchten.

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  3. Sehr interessant, wie Sie sich die Dinge zurechtdrehen 😀
    Nur wer sich auch provozieren lassen will, reagiert mit Steinwurf auf die Polizei. Und den Beamten kann man wohl kaum vorwerfen, geltendes Recht durchzusetzen.
    Die Schuld immer bei der Polizei zu suchen, wenn eine Situation eskaliert, ist doch Unsinn. Wieso kann man nicht friedlich demonstrieren?
    Grüße aus dem Westen

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  4. … Unbeteiligte wurden herumgestoßen…? Was treiben die sich gg zwei Uhr Nachts auf der Straße herum? Gaffen.. oder ein bisschen „mitmischen“???? Ist ja gerade voll im Trend…

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  5. Zusammenfassend bleibt also, dass durch den Mob verhindert wurde, dass der Vater sich von seinem Sohn verabschieden konnte, richtig?
    Und der Konjunktiv (sollte, soll) klingt fortlaufend so, als wäre hier irgendetwas verhindert worden.
    Die Maßnahme der Polizei hat aber -wenn auch verzögert- stattgefunden, richtig?
    Was wurde hier also gewonnen?
    Außer dem Gefühl der Aktionisten, etwas getan zu haben, wohl nur wenig. Zumindest nichts Positives.
    Es gab Verletzte.
    Die Polizei hat bestimmt in Zukunft auch richtig gute Laune.
    Die Aktion steht bald im Wikionary als Exempel im Beitrag „Kontraproduktiv“.

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  6. Euch geht es nicht um politik,nur um randale,bullen aufmischen,schade für den rechtsstaat und für die die es ernst meinen

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