Fassungslos.
Worte, die nicht beschreiben können, wie es sich anfühlt.
Wie es sich anfühlt die aktuellen Zahlen und Berichte zu lesen. Aus der Zeitung zu entnehmen, dass am Wochenende, an einem Sonnabend in Leipzig, in meinem Leipzig, am hellichten Tag 8 deutsche Männer einen Asylbewerber krankenhausreif geprügelt haben.
Mitten in der Innenstadt, mitten am Tag. In diesem Leipzig, dass sich rühmt weltoffen zu sein und wo es doch, wie überall, brennenden Rassismus und Hass gibt. Vielleicht nicht so präsent, wie anderswo aber er ist da. Und wir neigen dazu, dass Hässliche zu vergessen, weil andere Bilder präsenter sind.
Und es schöner ist darauf hinzuweisen, dass wir LEGIDA vertrieben haben und noch jeder Naziaufmarsch auf eine Übermacht an Gegendemonstranten traf – hier in meinem Leipzig. Aber den Rassismus, der sich ausbreitet, weil er genährt wird von Berichten und Politikern, breitet sich aus wie eine Krankheit, die dem friedlichen Zusammenleben der Menschen den Nährboden entzieht und stattdessen den Kampf aller gegen Alle propagiert.
Zahlen lügen nicht. 2018 kam es pro Tag zu 7 rechtsmotivierten Straftaten am Tag, in Sachsen. Es handelt sich dabei nur um Taten, die angezeigt wurden. Eine Straftat war ein Mord.
Der 17. in Sachsen seit der Wende. Wo war der Aufschrei? Wo ist das schockierende? Sind wir so weit abgestumpft, dass wir das regungslos hinnehmen?
Es fühlt sich unwirtlich an. Ich lebe in einer Stadt, in einem Land, dass mir seltsam fremd erscheint.
Als weißer Mann, bin ich privilegiert. Ich bin groß, nicht offensichtlich behindert, nicht obdachlos, im Regelfall bis auf den Umstand, dass ich bekannter und bekennender Vertreter der Grundrechte bin, kein Angriffsobjekt.
Und wenn man privilegiert ist, kann man all das Hässliche, den Hass und Rassismus leicht übersehen, kann sich wegdrehen und so tun als geht es einem nichts an.
Wie es soviele tun und wie es soviele gibt, die Schweigen. Das unerträgliche dröhnende, lähmende Schweigen einer Mehrheit, dass mich anwidert, dass nur noch übertroffen wird, von denjenigen, die meinen, dass man dieses Sachsen verteidigen müsste.
Die meinen, dass es eine gute Idee sei, wenn wieder deutschlandweit Kritik aufbrandet, zunächst erstmal sich über „Sachsen- Bashing“ zu beklagen und erst dann über Probleme zu reden. Ignoranz und Relativierungen, die das Problem nicht kleiner machen sondern die Lage verschlimmern.
Und wenn dann irgendwo, jemand denn Mut hat, dass Schweigen zu brechen, wie schnell gilt mensch dann als „Nestbeschmutzer“. Dieses „Ist ja alles nicht so schlimm und wird doch nur übertrieben“, es kotzt mich an. Ich kann es nicht mehr anders formulieren, weil ich lieber wütend als traurig bin und nicht schweigen kann und will.
Es geht uns alle an. Denn dieser Hass und Rassismus zerfressen die Grundlagen unserer Gesellschaft, unseres Zusammenlebens.
Ich fühle es, weil diese Stadt, dieses Land, mein Land, ist in dem ich geboren wurde, lebe, und auch liebe. Es ist mir fremd geworden.
Ich kann es nicht Heimat nennen, weil Heimat keine politische Kategorie ist und der Begriff sich falsch anfühlt, nach Exklusion und denen als Grundlage dient, die meinen ihre „Heimat“ durch Hass und Gewalt verteidigen zu müssen.
Ich spüre die Wut in mir. Spüre das Misstrauen größeren Menschengruppen gegenüber. Eine Wut, mit der ich mich auseinandersetzen muss, weil ich nicht will, dass sie in Hass umschlägt.
Und alles was ich sagen will: Schweigt nicht!