Eine Frage, die sich im Zusammenhang mit der Bewegung Fridays for Future stellt. Junge Menschen, die Freitags die letzten Stunden des Unterrichts abhängen um zu demonstrieren, dürfen die das?
Das Streikrecht ist grundsätzlich in Art. 9 III GG verankert. Jedoch umfasst das Streikrecht lediglich Arbeitskampfmaßnahmen von organisierten Arbeitnehmern gegenüber Arbeitgebern. Ein Recht auf kollektives Fernbleiben vom Unterricht gibt es in Deutschland nicht.
Primär geht es jedoch vorliegend nicht um einen Streik im eigentlichen Sinne sondern um die Wahrnehmung des Versammlungsgrundrechts. Das Demonstrationsrecht aus Art. 8 I GG gilt selbstverständlich auch für Schüler unter 18 Jahren, jedoch folgt daraus kein Recht auf das fernbleiben vom Unterricht.
Im Einzelfall ist die Schulpflicht gegen das Grundrecht nach Art. 8 I GG abzuwägen. Jedenfalls bei Spontandemonstrationen und Eilversammlungen, wo das abwarten den Versammlungszweck unterlaufen würde, ist das Versammlungsrecht vorgehend.
Die Kultusministerkonferenz hat 1973 zu dem Thema folgendermaßen geäußert:
„Der Schülerstreik ist lediglich ein organisiertes unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht. Der Schüler ist verpflichtet, am Unterricht und an den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilzunehmen. Diese Verpflichtung darf auch nicht kollektiv verletzt werden. Ein Recht „bestreiken“, besteht daher nicht.
Sogenannte „Schülerstreiks“ können mit anderen kollektiven Handlungen oder Unterlassungen verbunden sein, die ebenfalls eine Beeinträchtigung des Unterrichts zur Folge haben, z.b. organisierte Verweigerung der Mitarbeit. Derartige Aktion sind ebenso rechtswidrig wie die Verletzung der Teilnahmepflicht, weil sie die Schule an der Erfüllung ihrer Aufgabe hindern.
In diesen Feststellung liegt keine unzulässige Beschränkung der Demonstrationsfreiheit. Die Teilnahme an Demonstrationen rechtfertigt nicht das Fernbleiben vom Unterricht oder eine sonstige Beeinträchtigung des Unterrichts. Das Demonstrationsrecht kann in der unterrichtsfreie Zeit ausgeübt werden.“
Diese Auffassung ist jedoch weitgehend überholt und dürfte einer Überprüfung nicht mehr standhalten.
Im Übrigen gilt die Schulpflicht § 28 SächsSchulG, vgl. Art. 7 GG. Die Schüler sind verpflichtet am Unterricht teilzunehmen, § 1 I Schulbesuchsordnung.
Schüler können in Ausnahmefällen von der Schule befreit werden, § 3 Schulbesuchsordnung oder beurlaubt werden, § 4 Schulbesuchsordnung.
Eine Befreiung ist gemäß § 3 I Schulbesuchsordnung nu in besonderen Ausnahmefällen auf Antrag der Erziehungsberechtigen möglich.
Eine Beurlaubung ist nach § 4 II Nr. 1 Schulbesuchsordnung wegen kirchlichen Anlässen und Veranstaltungen möglich außerdem nach § 4 II Nr. 2 Schulbesuchsordnung für Veranstaltungen und Gedenktagen aus anderen Religionen oder Weltanschauungsorganisationen. Nach § 4 III Nr. 1 Schulbesuchsordnung kann man außerdem auf Grund wichtiger familiärer oder persönlicher Gründe vom Unterricht beurlaubt werden.
Dies wiederum führt dazu, dass jedenfalls eine Befreiung in Betracht kommt. In § 1 des SächSchulG sind die Ziele genannt, die die Schule erfüllen soll. Nämlich die Bildung einer eigenständigen Persönlichkeit in der Gemeinschaft. Dazu soll ua. die freiheitlich- demokratische Haltung vermittelt werden, Heimat und Umwelt und weiteres.
Die Wahrnehmung demokratischer Grundrechte für die Umwelt dürfte dabei maßgeblich dazu dienen, die Ziele die § 1 des sächsSchulG festlegt zu dienen. Entgegen der Vorstellung einiger Kultusminister und wohl auch des Stadtschülerrates ist Sinn und Zweck der Schule eben nicht die Vorbereitung der Schüler*innen für den Arbeitsmarkt und der Hauptzweck der Schule ist nicht die Ökonomisierung. Diese klassische Verwertungslogik steht vielmehr im Gegensatz zu § 1 des SchulG. Angemessen wäre es daher, wenn die Schulen den Willen und die Auseinandersetzung der Schüler*innen ernst nehmen und die Freistellung erteilen. Denn ein wichtiger Grund als den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen wird es im Einzelfall nicht geben. Die Frage warum man lernen soll, wenn es keine Zukunft mehr gibt, müssen nämlich primär diejenigen beantworten, die der kapitalistischen Verwertungslogik das Wort reden, Schüler*innen für unmündig erklären und meinen, die vordringlichste Aufgabe der Schüler*innen wäre der Besuch der Bildungsanstalten.
Und das ist eben nicht so. Die Persönlichkeitsbildung steht im Mittelpunkt. Die Vermittlung von Respekt, von Toleranz, die Kenntnis der freiheitlich demokratischen Grundordnung, der Schutz der Umwelt.
Und darauf sollte Wert gelegt werden.
Kein Widerspruch. Aber interessant ist doch, dass die Demos pünktlich mit Schulschluss enden. Was ist jetzt wichtiger: Welt retten oder geordnete Freizeit? Sind halt doch die Kinder ihrer Angestellteneltern.
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