Überfall auf Connewitz 11.01.2016 ;Prozessbericht – 13.09.18

Am Morgen des 13.09.18 wird man im Foyer des Amtsgerichts zu Leipzig wieder von JustizbeamtInnen, nicht wie im Rahmen des letzten Prozesses von einer mehrköpfigen Polizeistaffel, begrüßt. Vor dem Sitzungssaal 200 hängt dieselbe sitzungspolizeiliche Anordnung, die auch schon am 16. und 23. August Rechtskraft entfaltete.

Der Prozess gegen David D. und Andreas C. beginnt mit der Verkündung einer Verfahrensabsprache aller Beteiligten durch den Richter P., der auch Vorsitzender des Prozesses gegen Dennis W. und Martin K war. Demnach soll im Falle eines Geständnisses der Angeklagten eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr und drei Monaten und nicht über einem Jahr und neun Monaten verhängt werden, deren Vollzug auf Bewährung ausgesetzt werden solle, etwaige Bewährungsauflagen behält sich der Richter dabei vor.

Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft, die auch Beteiligte des vergangenen Prozesses war, hat in dieser Verhandlung personelle Unterstützung durch die Anwesenheit eines Kollegen bekommen.

Der Richter möchte im Anschluss an die Verkündung der Absprache direkt die Angeklagten zu Wort kommen lassen und vergisst so die Verlesung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft, wird aber durch den Verteidiger des Angeklagten David D. darauf hingewiesen und korrigiert sein Vorgehen. Die Staatsanwältin verliest die Anklageschrift, die fast in allen Punkten derjenigen gegen Dennis W. und Martin K. gleicht. Allerdings listet sie beim Verweis auf die Strafbarkeit des David C. gem. §§ 125 I, 125 a StGB auch die Nr. 2 des § 125a auf, das Bei-sich-führen einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs.

Daraufhin beginnt der Verteidiger des Angeklagten David D. mit dessen Geständnis: er habe am 11.01.2016 eine SMS von einer ihm unbekannten Nummer mit dem Inhalt „Mach dich grade oder Leipzig macht sich grade“ erhalten, die auch Andeutungen auf Connewitz enthalten haben solle. Er ging dabei davon aus, dass es sich um eine Gegenaktion aus der politischen Rechten, auf einen Vorfall aus dem Dezember 2015 handele, bei dem die Partei „die Rechte“ eine Demonstration im Süden Leipzigs angemeldet hatte, die aufgrund massiver Proteste nicht wie geplant durchgeführt werden konnte. Am Abend es 11.01.2016 habe er sich dann auf einem Parkplatz bei der Abfahrt Naunhof mit mehreren dunkel gekleideten Personen getroffen, anschließend sei er auf einem anderen Parkplatz mit ungefähr zwei- bis dreihundert anderen Personen zusammengetroffen. Von dort aus, sei die Gruppierung geschlossen Richtung Connewitz gezogen, der Angeklagte habe Latten, Stangen und ähnliche längliche Gegenstände in den Händen einiger Personen erkannt. Nach ungefähr zehn Minuten muss es ein Kommando gegeben haben, dass der Angeklagte nicht gehört habe, woraufhin er Glassplitter, Böller und Bengalos wahrgenommen habe.

Auf Nachfrage des Richters äußert sich der Angeklagte persönlich, seiner Einschätzung nach beteiligten sich etwa zwanzig bis dreißig, vielleicht auch fünfzig Prozent der Personen an den Ausschreitungen. Er habe sich nicht von der Gruppe entfernt, weil er sich nicht in Connewitz ausgekannt habe und die Befürchtung gehabt habe, auf Gruppen von Linken zu treffen.

Der Angeklagte C. sagt aus, er sei mit anderen dunkel gekleideten Personen nach Connewitz gezogen, im Glauben, es handele sich um eine Demonstration. Von den Anwesenden habe er niemanden gekannt, gegen 18:48 Uhr sei der Personenzug von ungefähr zweihundert Mann Richtung Connewitzer Kreuz gezogen. Daraufhin seien Benaglos gezündet worden, der Angeklagte habe sich zwar entfernen wollen, da aber alles so schnell geschehen sei, habe er sich schon bald von der Polizei eingekesselt erlebt und sei gemeinsam mit den anderen Personen festgenommen worden.

Auch hier schildert der Angeklagte auf Nachfrage des Richters, er habe Bengalos gesehen, es habe geklirrt und Alarmanlagen seien losgegangen. Er selbst habe keine Werkzeuge bei sich getragen, nur normale Herrenhandschuhe. Die Gruppe habe eng zusammengehalten, wobei er sich im hinteren Teil derselben befand. Ein Kommando habe er nicht gehört.

Der Richter wendet sich noch einmal an den Angeklagten D. und will erfahren,  wo sich der zweite Parkplatz befunden habe, der Angeklagte meint, er wisse es nicht genau, irgendwo im Süden Leipzigs. Von dort aus sei der Personenzug in Richtung Connewitz Kreuz gezogen, die Gruppe sei kompakt aufgetreten, er habe aber den Überblick verloren und Ausschreitungen einzelner Personen wahrnehmen können.

Auf die Frage der Staatsanwaltschaft, wie der Angeklagte D. Vom ersten zum zweiten Parkplatz gelangt sei, antwortet er, er habe mündlich eine Adresse genannt bekommen, zu der er sich im Anschluss mit dem Navigationsgerät begeben habe. Auch habe er Mütze und Schal getragen und erwähnt, dass er Quarzhandschuhe dabei gehabt habe, sie auch kurz angezogen aber nicht verwendet habe. Diese habe er ausschließlich für den Fall eines Zusammenstoßes mit Linken bei sich geführt, um sich selbst zu verteidigen und sich nicht die Hände zu brechen. Des weiteren gibt er an, die Handschuhe bei der Festnahme weggeworfen zu haben. Während sich der Zug durch die Straßen bewegte habe er auch irgendwelche Rufe vernommen, eventuell sei auch der Ruf „Hooligan-Hooligan“ zu hören gewesen.

Die Staatsanwaltschaft wendet sich schließlich an den Angeklagten C. und erfährt, dass er nicht vermummt gewesen sei und auch keine Schlagwerkzeuge gesehen habe. Den Schrei „Hooligan-Hooligan“ habe er jedenfalls zu Beginn der Ausschreitungen vernommen.

Damit schließt der Richter die Befragung der Angeklagten und kommt zur Beweisaufnahme durch die Befragung der geladenen Zeugen.

Die Prozessbeteiligten einigen sich auf die Verlesung der im anderen Verfahren aufgenommenen Zeugenaussagen, die geladenen Zeugen werden bis auf Herrn K. Entlassen.

Herr K. ist Bereitschaftspolizist und war am 11.01.2016 Teil der Hundertschaft, die von der „Legida“-Demonstration nach Connewitz geschickt wurde. Er erinnere sich daran, dass bereits vom Bayerischen Bahnhof aus Leichtspurmunition über Connewitz sichtbar gewesen sei, er und seine Kollegen seien zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, es handele sich um Ausschreitungen aus der politischen Linken. In Connewitz angekommen habe er brennende Dinge sehen können, auch Pflastersteine in den Rückständen diverser Schaufensterscheiben seien ihm aufgefallen. Als die Gruppe der Personen festgesetzt worden war, sei ihm und seinen Kollegen eine Person mit einem Axtstiel in der Hand aufgefallen, man habe sich gewundert, wo die Klinge geblieben sei. Bald darauf sei die Gruppe in polizeilichen Gewahrsam verlegt worden, Herr K. habe keine Rufe von der Gruppierung wahrnehmen können. Zweifel an der Vermutung, es handele sich um linkes Klientel gehandelt, habe er aber schon beim Anblick der beschädigten Außenseite der Gaststätte „Könich Heinz“ bekommen, auch sei verwunderlich gewesen, dass aus der Gruppe keine Steine Richtung Polizei geflogen seien und die Gruppierung nicht in die umliegenden Häuser abgesickert sei. Auch seien vereinzelt acht bis zehn Personen über Zäune in der Auerbachstraße geflohen.

Die einzige Frage, die an den Zeugen gestellt wird kommt vom Verteidiger des Angeklagten David D., der sich vergewissert, dass es aus Sicht des Zeugen Normalzustand sei, Stein- und Flaschenwürfen ausgesetzt zu sein, wenn es sich um linkes Klientel handele. Dies bestätigt der Zeuge unter Verweis auf die Geschehnisse im Dezember 2015 im Süden Leipzigs.

Der Zeuge K. wird entlassen, die Beteiligten einigen sich ferner auf den Verzicht der Inaugenscheinnahme der Videobeweise, sowie der vom Angeklagten am 11.01.2016 mitgeführten Quarzhandschuhe.

Es werden Daten zur Person der Angeklagten aufgenommen, unter anderem, dass der Angeklagte Andreas C. Anfang August vom AG Merseburg wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde, mittlerweile arbeite er in der Verkehrsabsicherung, er habe erwachsene Kinder. Der Angeklagte D. arbeite als Chemielaborant und habe eine Lebensgefährtin, mit der er zwei Kinder im Kindergartenalter großziehe.

Die Sitzung wird an dieser Stelle für ungefähr eine Stunde, bis 11.30 Uhr unterbrochen.

Mit Fortsetzung der Sitzung schließt der Richter die Beweisaufnahme und bittet die Staatsanwaltschaft um ihr Plädoyer. Diese schildert den bekannten Tathergang und konstatiert, die Einräumungen der Angeklagten ließen eine Strafbarkeit nach §§ 125 I Nr. 1, 125a StGB unzweifelhaft erscheinen. Dabei sollen der Angeklagte C. Beteiligter, der Angeklagte D. unter anderem durch das Mitführen der Quarzhandschuhe selbst Täter der Tat gewesen sein. Beide hätten die Gruppe über einen Weg von mehreren Hundert Metern nicht verlassen, seien so ostentativ mitmarschiert. Da die Angeklagten kaum vorbestraft seien und eine positive Sozialprognose ebenso wie das Geständnis für sie sprächen und mildernde Umstände darstellten, beantragt die Staatsanwaltschaft jeweils eine Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten, deren Vollzug zur Bewährung ausgesetzt werden solle und eine Bewährungsauflage von 2.000 Euro, die an die Staatskasse zu zahlen sei. Die Bewährungszeit solle zwei Jahre betragen.

Der Verteidiger des Angeklagten D. fordert eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten unter der Begründung, sein Mandant habe nur einen untergeordneten Tatbeitrag zur Tat geleistet und sei daher nur Teilnehmer. Dieser Umstand müsse auch Auswirkungen auf die Strafzumessung haben. Das bloße ostentative Mitmarschieren begründe an sich noch keine Täterschaft, seinem Mandanten mangelte es vorliegend an der die Täterschaft begründenden Tatherrschaft, viel mehr handele es sich hier um den Fall bloßer psychischer Beihilfe, was auch in der Strafzumessung berücksichtigt werden müsse. Abgesehen davon habe sein Mandant lediglich mit Eventualvorsatz gehandelt. Die 2000 Euro Bewährungsauflage seien daher und aufgrund der Tatsache, dass der Angeklagte eine Familie zu versorgen habe, unangemessen. Eine Auflage von 1000 bis 1500 Euro sei demgegenüber angemessen.

Die Verteidigerin des Angeklagten C. betont zu Beginn ihres Plädoyers, es sei den Angeklagten zu Gute zu halten, dass den Prozessbeteiligten aufgrund ihrer Aussagen eine mehrtägige Beweisaufnahme erspart worden sei. Außerdem sei ihr Mandant am fraglichen Tag nicht vermummt gewesen, schwarze bzw. dunkle Kleidung trage er immer. Auch er habe lediglich mit Eventualvorsatz gehandelt, habe keine Gewalt gegenüber den PolizeibeamtInnen ausgeübt und habe generell eine untergeordnete Rolle im Rahmen der Tat gespielt. Auch spreche eine günstige Sozialprognose für ihn. Die Auflage der 2000 Euro beanstande sie nicht, aber auch sie halte eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden solle, für angemessen.

Nach einer kurzen Unterbrechung verkündet der Richter P. das Urteil: Die beiden Angeklagten Andreas C. und David D. werden zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre, der Angeklagte D. muss eine Bewährungsauflage von 1600 Euro, der Angeklagte C. eine Auflage von 2000 Euro innerhalb von einem Jahr an die Staatskasse zahlen.

Daraufhin schildert der Richter noch einmal den Sachverhalt und äußert seine Rechtsauffassung, die Angeklagten seien jedenfalls Teilnehmer der Tat nach §§ 125 I, 125a durch aktive, tatsächliche Beihilfe. Für die Angeklagten spreche ein detailreiches Geständnis, der Zeitablauf von zweieinhalb Jahren seit Begehung der Tat, innerhalb dessen die Angeklagten nicht noch einmal strafrechtlich relevant in Erscheinung getreten seien und das (fast) Fehlen von Vorstrafen er Angeklagten. Durch das Mitführen der Quarzhandschuhe durch den Angeklagten D. habe es in diesem konkreten Fall keine besondere Steigerung der Gefährlichkeit der Tat gegeben, dieser Umstand erfülle zwar das Regelbeispiel des § 125a Nr. 2 StGB, sei aber aus eben genannten Gründen nicht strafschärfend in den Strafrahmen eingeflossen. Schließlich verweist der Richter auf das enorme Gefährdungspotenzial, das von der Tat ausgegangen sei, er spricht von einem „abstruse[n] Risiko“, aufgrund dessen eine Strafe von einem Jahr und vier Monaten angemessen sei. Entscheidend für die Wahl dieses Strafmaß sei vor allem das Geständnis der Angeklagten. Mit den letzten Worten spricht der Richter die Zuschauer im Saal direkt an: Ein solch ausführliches Geständnis der Angeklagten sei als „eine Art von Entgegenkommen gegenüber den Zeugen“ zu berücksichtigen, die einer enormen Belastung ausgesetzt seien, indem sie grundsätzlich auch zu den nächsten neunzig Prozessen gegen die Täter des 11.01.2016 geladen seien. Durch ein solches Geständnis sei es möglich, die Zeugen wenigstens etwas zu entlasten. Bei der Wahl der Auflagen seien jeweils das Gehalt und die jeweils bestehenden Unterhaltspflichten der Angeklagten berücksichtigt worden.

Somit wird die Sitzung um 12.30 beendet.

Autor: juergenkasek

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