Auf der Suche nach einer ostdeutschen Identität. Immer wieder wird davor gewarnt Ostdeutschland nicht zu vergessen. Warum diese Identitätsdebatte ins Leere führt.
Die SPD setzt in ihrem Erneuerungsprozess auf einen Ostbeauftragten war in der Zeitung zu lesen. Noch vor der Bildung der GroKo warnten die Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer davor den Osten nicht zu vergessen um danach unisono zu betonen, wie gut der Osten bei der GroKO abschneiden würde.
Überall in den Parteien hört man eine Betonung der ostdeutschen Identität. Als Grundlage dafür dürfen gerne Studien herhalten, wie jene die bescheinigt, dass sich selbst nach 1990 Geborene zu einem relevanten Teil als ostdeutsch fühlen.
Nach der Bundestagswahl diente den Medien der ostdeutsche Mann und seine spezifische Wut als Objekt der Erzählung um den Wahlerfolg der AfD zu begründen. Was bei solchen Debatten häufig vergessen wird ist, dass die AfD überall in Deutschland stark abschnitt. Rassismus ist nun gerade kein spezifisch ostdeutsches Problem auch wenn die Ausprägung hier andere Gründe hat.
Als Folge davon ist die Betonung der ostdeutschen Identität wieder Mode. Wenn sich Menschen schon ostdeutsch fühlen, dann sollen sie darin bestärkt werden. Die Parteien liefern sich einen Wettkampf um die sich abgehängt Fühlenden.
Die Verklärung Ostdeutschlands in den Parteien ist dabei nichts anderes als Projektionsfläche für konservativen Paternalismus. Man müsse eben nur die Probleme der Menschen lösen und schon würden diese sich wieder den Parteien oder der Demokratie zuwenden. Die Wähler*innen werden unmündig gehalten.
Identitäten sind dabei Konstruktionen durch soziale Milieus, die Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen schaffen.
Wollen wir 28 nach der Wende uns immer noch damit auseinandersetzen West- und Ostdeutsche zu sein?
Statt Menschen in ihrem Gefühl der Benachteiligung zu bestärken muss es darum gehen eine Infrastruktur zu schaffen, die Beteiligung ermöglicht, Solidarität als Wert wieder herzustellen und statt immer wieder das Trennende zwischen Stadt und Land, die Betonung auf das Gemeinsame zu legen.
Dafür ist es allerdings auch nötig die Überanpassung an den Kapitalismus in den neuen Bundesländern nach der Wende aufzuarbeiten und zu begreifen, dass der Kapitalismus und etwa die Ausrichtung der Bildung auf rein ökonomische Aspekte eben nicht sinnstiftend ist sondern Leere produziert.
Gerade aber die Umstellung auf die Ökonomisierung aller Lebensbereiche, die den Wert eines Menschen anhand seines verwertbaren Humankapitals bemisst, befeuert die Abwertung und die damit zusammenhängenden Gefühle.
Statt also weiter über die Verklärung Ostdeutschlands zu sinnieren ist es Zeit zu begreifen, dass es nicht um Ostdeutschland geht sondern es darum gehen muss für eine solidarische Gesellschaft einzutreten. Es geht darum Zukunft gemeinsam miteinander zu gestalten und zu verstehen, dass Pluralismus und Solidarität notwendige Grundpfeiler einer kommenden Entwicklung sein können.
Wer sich darauf beschränkt zur erklären wer oder was Ostdeutschland ist oder woran es mangelt, trägt zur Verklärung bei und kaschiert fehlende Ideen für die Gestaltung der Zukunft durch die Rückbesinnung auf die Vergangenheit.
Ich bin hier geboren. Gehöre zur dritten Generation Ost und verbringe auch meistens meinen Urlaub hier. Ich fühle mich nicht als Ostdeutscher und ich warte nicht darauf, dass mir irgendjemand erklärt was ich bin, was ich fühle oder was ich tun muss- ich denke, fühle und handle selber – für eine solidarische Zukunft, für kulturelle und soziale Teilhabe für ein neues Miteinander.