Spurensuche in Bautzen – eine rechte Stadt?

Bautzen ist eine malerische Kleinstadt in der Lausitz. Deutschlandweit bekannt wurde die Stadt 2016 als Geflüchtete von Einheimischen durch die Stadt gejagt wurden und die Polizei diesen Vorfall zunächst bagatellisierte und meinte, dass die Geflüchteten schuld seien. Erst nachdem mehrere Videos auftauchten und Journalisten genauer recherchierten änderte sich das Bild.

Seitdem kommt es immer wieder zu rassistischen Zwischenfällen. Sei es, dass der Fußballverein SV Bautzen als Sponsor einen rechtsextremen Kleiderladen hat, der später vom Sächsischen Fußballverband abgelehnt wird, sei es das regelmäßig rechte Schmiererein auftauchen und Andersdenkende bedroht werden. Nachts patroullieren schon mal die 125er (Aryan Brotherhood Eastside). Die AfD ist hier zur Bundestagswahl stärkste Partei geworden und hat den Wahlkreis direkt gewonnen.

Der stellvertretende Landrat, zuständig für Ausländerangelegenheiten (CDU), unterhielt enge Kontakte zur NPD und gab Informationen weiter. Der Landrat (CDU) selber sprach auch lieber mit der NPD und den organisierten Neonazis statt sich der Zivilgesellschaft zuzuwenden. Auch der Bürgermeister (inzwischen SPD) versuchte anfangs dadurch zu deeskalieren, dass er Kontakte zur Naziszene suchte.

Nach der Verhandlung am OVG in Bautzen hatte ich mich mit Annalena verabredet, die vielleicht das bekannteste Gesicht im Kampf gegen Rassismus in Bautzen ist und deswegen immer wieder angefeindet wird, bis dahin das ihre Adressdaten und Telefonnummer immer wieder veröffentlicht wird und sie nicht selten auf offener Straße angesprochen und beleidigt wird.

Für andere Bautzner ist sie einfach Teil des Problems: „Immer da wo du bist, gibt es Ärger.“, Begründung: durch ihr Handeln trägt sie dazu bei, dass der Rassismus öffentlich wird. Zuletzt mit einem Foto vom Weihnachtsmarkt in Bautzen wo zwei Männer in „Landser“ Shirts stehen, als wäre es das normalste der Welt. Das Foto hat ua. Jan Böhmermann geteilt und Bautzen war wieder in den Schlagzeilen: Die rechte Stadt in Sachsen. – Eine von Vielen.

Meine erste Begegnung in Bautzen ist ein Busfahrer, der mir zuruft er habe die AfD gewählt. Der Bus steht, ist leer, ich laufe vorbei und auf einmal mehrfach der Ausruf: „Ich habe AfD gewählt. Ich habe AfD gewählt.“

Ich bleibe stehen und frage warum.

„Na, sie sind doch der komische grüne Rechtsanwalt aus Leipzig. Ich wollte zeigen, dass es hier noch normale Leute gibt.“

Wir versuchen ins Gespräch zu kommen. Schwierig, so richtig will er nicht diskutieren. Meine Frage, was die anderen Parteien tun müssten damit er diese wählt, beantwortet er nur mit: „zu spät“.

Bedingt durch die Hetze der AfD glaubt er, dass ich in Connewitz wohne und den schwarzen Block kommandiere. Außerdem seien die Moslems schuld und die Polizei könne sowieso nichts machen.

Wenigstens verabschieden wir uns beide freundlich voneinander. Ein Teil seiner Vorurteile konnte ich auflösen, hoffe ich, aber ein Gespräch wurde so richtig nicht daraus.

Mit Annalenna gehen ich in eins von drei vegetarischen/veganen Restaurants in Bautzen. Der Laden ist voll. Völlig normale Menschen und ich frage mich wer hier eigentlich AfD gewählt hat. Gehen Rechte vegan essen, wo doch der Klimawandel eine Lüge ist?

Ich weiß es nicht. Das Restaurant hat sich jedenfalls nach der Wahl klar positioniert. Der Burger der Woche, in der Woche nach der Wahl, hieß „GrauenhAfD“.

Und trotzdem. Irgendetwas ist anderes.

Annalena erzählt mir, dass sie viele kenne die sagen, dass sie zwar nicht die AfD gewählt hätten aber verstehen können, dass Menschen dies gemacht haben.

Bei der Frage nach dem Warum, kommt der sattsam bekannte Dreiklang:

1) Das Gefühl schlechter gestellt zu sein: Die im Westen verdienen immer noch mehr. Das sachliche Gegenargument, dass die Lebenshaltungskosten aber auch andere seien, dringt nicht durch.

2) Das Gefühl von der großen Politik vergessen zu sein und die damit verbundene Selbstviktimisierung. Man fühlt sich allein gelassen und Angst vor der Zukunft wie alles weitergeht ist da.

3) Seitdem „die Ausländer“ da sind ist alles anderes. Neben dem Gefühl des zu kurz gekommen und vergessen zu seins, kommen die Fremden und damit die Angst, dass was man hat zu verlieren.

Wie kommt man gegen die Übermacht aus Gefühlen und irrationalen Ängsten an?

Ängste, die keine rationale Grundlage haben, lassen sich nicht mit Argumenten begegnen. Aber Zukunftsangst lässt sich abbauen indem man gemeinsam Wege entwickelt. Vorurteile aufzubrechen erfordert Zeit, eine klare Haltung und ja auch Empathie.

Aber auch die ist hier ein Problem. Wenn man durch die Altstadt geht, kann man problemlos verdrängen, dass es hier ein Problem mit rassistischen Vorurteilen gibt. Man sieht keine grimmig blickenden Glatzen. Aber wenn man genau hinsieht sieht man die Risse in der Gesellschaft.

Wie spricht man über Politik, wenn das Gebiet so vermint ist und man doch irgendwo eng beieinander wohnt? Man muss doch irgendwie miteinander auskommen?

Es bleibt schwierig und es ist auch allzuleicht den Übergriff von Nazis, auf dem Weihnachtsmarkt, auf linke Jugendliche als Auseinandersetzung unter Gleichaltrigen zu verbuchen. Politischer Hintergrund im Polizeibericht? Fehlanzeige!

Aber deswegen aufgeben?

Nein, wir müssen Wegen finden zu sprechen, deutlich machen worum es geht und dabei auch eine klare Haltung finden, die Vorurteile nicht bagatellisiert.

Rassismus muss zur Sprache gebracht werden und es liegt an uns deutlich zu machen, dass Zukunft keine Zumutung sondern eine bewältigbare Herausforderung ist, wenn wir gemeinsam daran arbeiten.

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Autor: juergenkasek

Lebe lieber ungewöhnlich. Rechtsanwalt, Politiker, Aktivist, Umweltschützer, Blogger, Sportler

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