Ein Text anlässlich des Tages an dem das Grundgesetz erlassen wurde.
Am 23.Mai 1949 wurde das Grundgesetz in Kraft gesetzt. Es ist die Verfassung Deutschlands und regelt die wesentlichen Fragen des Zusammenlebens. Es enthält den Katalog der Grundrechte und die Grundprinzipien des deutschen Rechtsstaates.
Die Grundrechte, die im überwiegenden Fall Abwehrrechte des Bürgers gegen ein Handeln des Staates sind und darüber hinaus in einigen Fällen Teilhabe und einen Leistungsanspruch beinhalten bilden neben ihrer eigentlichen Bedeutung die Werteordnung ab.
So wichtig und richtig das Grundgesetz auch ist, so gefährdet ist es doch. Es fehlt an der grundlegenden Vermittlung der Bedeutung der Grundrechte, die für unser Zusammenleben unabdingbar sind. Die immer wieder angestoßene Leitkulturdebatte geht dabei in die falsche Richtung. Sie verdeckt, dass es bereits eine Wertordnung gibt.
Missverständnisse
Gerade im Bereich der viel zitierten Meinungsfreiheit nach Art. 5 I GG manifestieren sich immer wieder Fehlannahmen. Diese setzen sich fort in der Bedeutung der Versammlungsfreiheit in Art. 8 I GG und seit Neuesten auch in der Religionsfreiheit in Art. 4 GG.
Meinungsfreiheit ist eben auch das Recht zum Widerspruch nicht das Recht, dass meine Meinung sich irgendjemand anhören muss, schon gar nicht die Presse. Versammlungsfreiheit ist die Freiheit sich zu versammeln aber eben auch die Freiheit seine Meinungskundgabe gegen eine bestehende Versammlung zu richten. Religionsfreiheit unterschiedet nicht zwischen Religionen sondern ist die Freiheit zu glauben und seinen Glauben auszuleben aber eben auch die Freiheit nicht zu glauben und nicht missioniert zu werden. Verbietet man islamische Symbole mit dem Verweis auf die negative Religionsfreiheit muss man konsequenterweise alle religiösen Symbole verbieten.
Die Behauptung, dass wir im christlichen geprägten Abendland leben würden als Dichotomie zum mehrheitlichen muslimischen Morgenland entstammt der Abgrenzungsidee des 19 Jhd und verkennt darüber hinaus die Religionsgeschichte. Ich jedenfalls respektiere Menschen die Glauben auch wenn ich selber nicht an die Transzendenz glauben mag.
Das Grundgesetz ist gefährdet durch Unwissen einerseits und gefährdet durch diejenigen, die es einschränken wollen. Die Debatte um die Einschränkung der Grundrechte ist nicht neu. Mit jeder neuen Bedrohung, neuer Gefahr wächst die Sehnsucht nach mehr Sicherheit. Einer Sicherheit, die stets nur ein neues nicht einlösbares Versprechen ist.
Angst macht Politik
Es ist eine alte Weisheit, dass sich mit Angst Politik machen lässt. Gerade in unsicheren Zeiten, wofür es objektiv wenig Gründe gibt, hat daher Populismus, der die Sehnsucht nach einfachsten Antworten, mithin unterkomplexen Antworten, befriedigt Hochkonjunktur.
Egal ob mit Verweis auf rechten Terror, religiös motivierten Terror oder die Gefahren durch andere Staaten, stets steigt die Versuchung die Freiheitsrechte zu schleifen, in sie einzugreifen, mit dem Versprechen neuer Sicherheit.
Auf einmal erscheint Kameraüberwachung und damit der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und damit die Freiheit selbst zu bestimmen, welche Daten wo aufgenommen werden, legitim. Und ja die Debatte mutet in der Zeit der flächendeckenden Verbreitung sozialer Medien veraltet an. Warum über ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestmmung streiten, wenn wir heute selbstverständlich überall preisgeben was wir essen, lesen,, wann wir arbeiten und wo wir sind?
Weil es unsere Entscheidung ist. Eine Entscheidung, die man später überdenken, bereuen und zurücknehmen kann.
Mit jedem neuem Terrorrangriff wird erneut Hand an die Freiheitsrechte gelegt. Egal ob es die Vorratsdatenspeicherung ist, Kameraüberwachung, die Einschränkung der Ausreise oder die Abschiebung, immer tiefer gräbt sich der Staat in die Freiheitsrechte ein, mit Billigung der Bürger.
Symbolismus entfaltet noch immer seine Wirkung. Das wir gerade schleichend dabei sind eines der grundlegendsten Prinzipien des Rechtsstaates – die Unschuldsvermutung auszuhöhlen, wird angesichts des Terrors egal. Nein, es wird sogar gefeiert weil die scheinbare Sicherheit, die es in einer komplexen Welt nicht gibt, wichtiger erscheint als die wahrgenommene Unsicherheit der Freiheit.
Warnung über Warnung
Die oft gehörte Warnung, dass wir dabei sind unsere Freiheit zu verlieren und uns damit selbst – verhallt. Es scheint zuviele Menschen zu geben, denen Freiheit als Zumutung erscheint und die enge, klare Abläufe – Grenzen- eher zu schätzen wissen.
Was außer Acht gelassen wird: Mit jeder Einschränkung der Freiheitsrechte aufgrund von Angst betreiben wir das Geschäft des Terrors. Die Logik des Terrors ist die Verbreitung von Angst und im Zweifel die Errichtung eines autoritären Regimes.
Wir warten nicht auf den nächsten Anschlag bereitwillig geben wir die Zumutung der Freiheit auf.
Aber gerade jetzt, wo alle Parteien im Bundestagswahlkampf erregt darüber diskutieren, mit welchen neuerlichen Maßnahmen Sicherheit suggeriert werden kann, bräuchte es mehr Menschen, die dem Treiben der Sicherheitsfanatiker Einhalt gebieten. Die Sicherheit soll der Freiheit dienen und diese schützen. Eine Sicherheit, die die Freiheit einschränkt wird selbst zum herrschenden Prinzip und unterhöhlt die Grundmauern unseres Staates.
Gerade an diesem Tag, an dem es das Grundgesetz und damit die Freiheit zu feiern gebe, wird genau dies vergessen.
Ich wünsche mir für meine Partei, dass sie der Versuchung widersteht, sich auf ihre Kernprinzipien besinnt und die Grundrechte, wie die Bürgerrechte schützt und damit die Freiheit verteidigt.